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Den Bundestag verkleinern?

100% Zustimmung zu der Rede von Philipp Amthor, das sage ich auch seit Jahren:
Die Idee für die Zusammensetzung des Bundestages war mal: 299 Direktmandate aus den Wahlkreise und 299 Listenmandate werden separat per Erst- und Zweitstimme gewählt und bilden zusammen den Bundestag.
Heute haben wir 299 Direktmandate und 410 Listenmandate, da defacto nur noch das Zeitstimmenergebnis zählt und die Direktmandate für die verhältnismäßige Zusammensetzung des Bundestages irrelevant sind.

Dabei sind die Direktmandate wirklich basisdemokratisch, ich als Kreis-Delegierter vom Ortsverband wähle die Personen im Kreis und somit unseren Direktkandidaten. Da redet niemand von außen mit rein. Wer in der Region gut ist, kann ich durchsetzen.
Die Listenaufstellung dagegen erfolgt durch die Partei in München.
Nur die Direktkandidaten müssen sich im Wahlkreis wirklich bemühen, müssen Präsenz zeigen, müssen für die Bürger greifbar und ansprechbar sein, da sie sonst direkt abgewählt werden.
Die Listenkandidaten dagegen haben entweder einen sicheren Listenplatz (oder eben nicht), und sind somit viel stärker vom Wohlwollen der Partei abhängig statt von den Wählern und können sich so viel weniger eigene Meinungen erlauben sondern müssen viel mehr „Parteisoldaten“ sein.

Leider ist es vermutlich zu spät wieder zum Grundgedanken der Väter des Grundgesetzes zurückzukehren, die eine Hälfte vom Bundestag direkt in den Wahlbezirken wählen zu lassen und nur die andere Hälfte über die Listen, da die Mehrheit für eine Grundgesetzänderung nicht mehr zustandekommen wird.
Die kleineren Parteien müssten ja ihre eigenen Sitze abschaffen, wenn es nur noch 299 statt 410 Listenplätze gäbe.
Z.B. die CSU ist durch die Regelungen ausschließlich über Direktmandate vertreten, obwohl sie auch zahlreiche Listenstimmen bekommen hat.

Dabei wären die Vorteile immens und wünschenswert:
1) Der Bundestag hätte seine 598 statt aktuell 709 Abgeordneten (und durch die Parteien-Zersplitterung werden es zwangsläufig immer mehr werden).
2) Es gäbe wieder klarere Mehrheiten, statt endloser Kooalitionsverhandlungen zwischen 3 Parteien.
3) Es gäbe wieder wechselnde Mehrheiten statt endloser großer Koalition
4) Gerechter: Die Erststimmen bestimmen das Erststimmenergebnis, die Zweistimmen das Zweitstimmenergebnis. Aktuell zählen ausschließlich die Zweitstimmen und es wird so weit aufgefüllt, bis die „störenden“ direktgewählten Erststimmenabgeordneten bis auf das Maß der Zweitstimmenergebnis zurückgestutzt sind. Und es ist sofort im Laufe des Abends klar, ob eine Koalition eine Mehrheit hat oder nicht, da es eben keine zahllosen Ausgleichs und Überhangmandate gibt.

Hier das Video von Philipp Amthor:
https://www.facebook.com/amthor.philipp/videos/732371077233385/
Leider kann man daran nichts mehr ändern und die kleinen Parteien wollen es ja ins Gegenteil verkehren und die direktdemokratisch gewählten Wahlkreisabgeordneten weiter zurückdrängen und so die Erststimme noch irrelevanter machen.

Kommentare

Thorsten Ruppenstein
Antworten

Die Erststimme entspricht einem Wahlsystem wie man es bspw. in den USA findet. Nur der Kandidat, der die meisten Stimmen pro Wahlkreis erreicht, zieht ins Parlament ein. Eine mögliche Folge dieses Systems ist es, dass am Ende eine Regierung 50% + 1 Sitz im Parlament bekommen kann und gleichzeitig weniger als die Hälfte der gültigen Stimmen auf sich vereinigen konnte.

Eine direkte Folge solcher Wahlsysteme ist die Präsidentschaft des verehrten Herrn Donald Trumps in den USA. Nach den absoluten Stimmen (=Zweitstimmen in Deutschland) hat Hillary Clinton die Stimme von 48,18% der Wählenden bekommen. Donald Trump hat 46,09% der Stimmen bekommen.

Warum möchte die CSU ein Wahlsystem, das so etwas ermöglicht?

Arnulf Koch
Antworten

Thorsten, Du bist doch in der Lage zu erfassen, was ich da geschrieben habe (oder Philipp Amthor in dem Video sagt). Warum drehst Du mir dann das Wort im Mund um?

Wo fordere ich (oder die CSU) ein Mehrheitswahlrecht?

Es gibt überall zwei moderne Wahlssysteme: Verhältniswahlrecht (gerechter, aber führt zu Zersplitterung des Parlaments und macht ein Regieren und ein Erkennen der Parteilinien schwierig) und Mehrheitswahlrecht („the Winner takes it all“ = stabile Mehrheiten, aber kleine Parteien werden benachteiligt).

Die Väter des Grundgesetzes haben das sehr intelligent analysiert und haben das ursprüngliche Wahlrecht so gestaltet, dass 50% der Sitze über Verhältniswahl und 50% der Sitze über Mehrheitswahl zu verteilen. Die Vorteile und Nachteile aus beiden Systemen zu einem guten Kompromiss vereinignen. Das hat früher stabile Mehrheiten, wechselnde Mehrheiten und Unterscheidbarkeit der Parteien gebracht und trotzdem neuen Parteien die Chance gegeben, sich zu etablieren (Grüne, Linke, AfD).

Ohne Not hat man es nach und nach zu einem defacto reinem Verhältniswahlrecht umgewandelt. Ich fordere kein Mehrheitswahlrecht, sondern dass man wieder zu diesen bewährten Kompromiss aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht zurückkehrt (wohlwissend, dass der Zug abgefahren ist).

Und:

1.) Am Ende hat laut unserer Verfassung genau eine Person die Richtlinenkompeten (Art. 65 Grundgesetz „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung.“ https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_65.html) und die Partei des Kanzler/Kanzlerin hatte zuletzt immer weit unter 50% und wenn die Parlamente immer mehr zersplittern bestimmt in Zukunft eine Person die Richtlinien der deutschen Politik, die mit unter 30% der Stimmen legitimiert ist. Da siehst Du kein Problem?
Weiterhin haben wir auch „ungerechte“ Elemente wie 5%-Hürde und Ignorieren der Nichtwähler, die eben das Ziel haben eine handlungsfähige Regierung zu bekommen.

2. ) Ein wirklich sehr seltsames Wahlrecht aus dem Jahr 1787 mit unserem modernen Grundgesetz von 1949 zu vergleichen ist auch sehr populistisch.

Thorsten Ruppenstein
Antworten

Ich habe nur zugespitzt darauf hingewiesen, was der Nachteil des Prinzips „The Winner Takes it All“ ist.

Warum kann die CSU nicht damit leben, dass das Wahlrecht so ist, wie es ist?

Warum will die CSU etwas am Wahlrecht verändern?

Ich bin bei solchen Forderungen sehr skeptisch, ob dies aus den genannten Gründen erfolgt.

Da die CSU sehr viele Direktmandate holt, würde sie bei einer Änderung des Systems davon profitieren.

Für mich ist es nicht demokratisch legitimiert, mehr anteilige Sitze im Bundestag zu haben, als dass man Zweitstimmen bekommen hat.

Warum vergleichst du Äpfel mit Birnen?

Was hat die Rolle der Bundeskanzlerin mit dem Mehrheitswahlrecht zu tun?

Die Bundeskanzlerin wird mit 50% +1 Stimme im Bundestag gewählt. Sie hat nur so lange die Richtlinienkompetenz, solange sie diese Stimmen hinter sich hat.

Über die 5%-Hürde kann man unabhängig davon diskutieren. Ich halte zum Beispiel die beiden Vertreter der Partei „die Partei“ im Europaparlament für einen Gewinn für die Demokratie. Ich kann mir auch sehr gut vorstellen diese Hürde im Bundestag schrittweise herunter zu setzen oder ggf. abzuschaffen.

Bei den Nichtwählern verstehe ich dich nicht. Warum ist es ungerecht, wenn jemand, der nicht zu Wahl geht auch keine Vertretung im Bundestag hat?

Ich würde sagen, wenn jemand nicht zur Wahl geht, dann ist es ihm offensichtlich egal, wer ihn regiert und er hat sein Mitbestimmungsrecht selbstbestimmt freiwillig bei der betreffenden Wahl aufgegeben.

Ich finde auch, dass man darüber diskutieren sollte Regierungen jenseits altbewährter Konstrukte zu bilden. Wenn im Parlament ein Antrag eine Mehrheit bekommen kann, finde ich es nicht demokratisch, wenn einer der Koalitionspartner, den anderen dazu nötigt, gegen seine eigene Überzeugung zu stimmen.

Du verstehst die Anspielung bestimmt;)

Der Begriff „bewährter Kompromiss“ ist eine Mogelpackung. Die Väter des Grundgesetzes hatten auch damals schon ihre eigenen Interessen im Auge. Gesellschaften entwickeln sich weiter und das ist auch gut so. Wenn Menschen behaupten, dass etwas besser ist, nur weil es eine lange Tradition hat, ist das ein sehr schwaches Argument.

Es hat seinen guten Grund, dass das Wahlrecht so ist, wie es jetzt ist. Ihr wollt das System zu euren Gunsten verändern. So ehrlich muss man sein.

Vor Gericht würde ein Anwalt sagen: „Cui bono?“

Thorsten Ruppenstein
Antworten

Zur Anschuldigung ich hätte behauptet, du / die CSU würde ein Mehrheitswahlrecht fordern:

Das habe ich mit keinem Satz so behauptet. Wenn du das behauptest, hast du nicht aufmerksam genug gelesen.

Ich habe pointiert herausgestellt, dass Wahlsysteme, die ein Mehrheitswahlrecht beinhalten zu Regierungen führen können, die von weniger als der hälfte der Wähler eine Stimme bekommen haben.

Wenn es keine Ausgleichsmandate gäbe, wäre folgende Konstellation theoretisch möglich:

CDU/CSU in allen Wahlkreisen 11% der Erst- und Zweitstimmen.
SPD 10%
GRÜNE 10%
FDP 10%
DIE LINKE 10%
AFD 10%
DIE PARTEI 10%
FREIE WÄHLER 10%
NPD 10%
DIE GRAUEN PANTHER 9%

Die CDU bekäme dann nach deiner Wunschvorstellung alle 299 Direktmandate und 11% der 299 Listenmandate.

Sie könnte die Regierung alleine stellen und hätte gerade mal 11% der Wähler hinter sich.

Wenn du mir beim jetzigen Wahlsystem ein ähnliches Problem aufzeigen kannst, bin ich gerne bereit neu nachzudenken!

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