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Haushaltsrede 2024

Am 13.05.2024 wurde der Haushalt der Stadt Gerolzhofen für das Jahr 2024 beschlossen. Hier meine Rede für die CSU-Fraktion:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Wozniak,
sehr geehrter Herr Kämmerer Borchardt,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Kontinuität der Haushaltsreden

wir beschließen heute den Haushalt der Stadt Gerolzhofen und ich könnte heute Wort für Wort meine Haushaltsrede vom letzten Jahr halten. Sie ist immer noch top-aktuell. Da Sie die auf meinem Blog nachlesen können, möchte ich dieses Jahr noch grundsätzlicher werden und hoffe, dass meine Worte von den höheren politischen Ebenen wahrgenommen werden.

Vergleichbare Finanzierungsprobleme der Kommunen

Denn die Probleme, die Gerolzhofen hat, haben hunderte Kommunen in Bayern und wir als gewählte Stadträte haben heute in 2024 aufgrund veränderter Rahmenbedingungen nicht mehr den Handlungsspielraum wie in meinem ersten Stadtratsjahr 2013.

Verschlechternde politische Rahmenbedingungen vs. Freiheit als Stadtrat

Ich sehe drei Veränderungen, die meine Motivation für dieses sehr zeitaufwändige Ehrenamt stark einschränken, weil es uns – um den Bezug zur Tagesordnung herzustellen – unsere finanziellen Handlungsspielräume nimmt. Denn was genau ist unsere Aufgabe als Stadtrat? Das hart verdiente Steuergeld unserer Bürgerinnen und Bürger und unserer Gewerbetreibenden bestmöglich und nachhaltig im Sinne der Gemeinschaft einzusetzen. Das hat mir früher Spaß gemacht, aber heute greifen höhere Staatsebenen subtil in diese Freiheit – in meine Freiheit – ein.

Vergaberecht: Dauer von Vergabeverfahren

Das Vergaberecht war immer schon ein sehr hoher bürokratischer und teurer Preis, um Korruption zu verhindern. Aber aktuell hat es einen Grad der Behinderung der öffentlichen Aufgaben erreicht, der nur noch kontraproduktiv ist. Anstatt eigenes Eigentum, z.B. bei Kindergärten aufzubauen und unseren Pflichtaufgaben nachzukommen, sorgt das Vergaberecht dafür, dass wir nicht nur teurer bauen, sondern statt 2 Jahre mind. 4 Jahre für das gleiche Bauwerk brauchen. Aber heute schon gibt es Gerolzhöfer Eltern, die keinen Betreuungsplatz für ihre Kinder finden. Also war im Amtsblatt zu lesen, dass wir jetzt einen Investor suchen, der uns einen Kindergarten baut und vermietet. Um so das Vergaberecht zu umgehen. Um 2 Jahre früher Kindergartenplätze anbieten zu können. Um den Preis, dass wir jemandem anderen eine Immobilie finanzieren plus einen Gewinn finanzieren und, wenn wir den Kindergarten dauerhaft betreiben, dauerhaft öffentliches Geld transferieren.

Vergaberecht: Rechtssicherheit von Vergabeverfahren

Das Vergaberecht ist so komplex, dass wir spezialisierte Anwälte benötigen – und “spezialisiert” ist hier ein Synonym für “sehr teuer” – die überhaupt noch komplexere Ausschreibungen erstellen und begleiten können. Wenn wir die Schulen wie geplant bauen wollen, werden wir voraussichtlich im Millionenbereich – hier ist der Plural gemeint – für eine Rechtsberatung des Vergabeprozesses ausgeben müssen. Nennen Sie mich altmodisch oder konservativ, aber ich würde das Geld lieber in den Bau der Schule und somit in unsere Schülerinnen und Schüler investieren, als in Anwälte, die ein aus dem Ruder gelaufenes Vergaberecht bändigen. Das Vergaberecht ist ein Griff in unsere kommunale Kasse, ein Teil der Salamitaktik, die von meiner Handlungskompetenz als Stadtrat wegnimmt.

Konnexitätsprinzip: Wer bestellt, bezahlt

Aber zurück zum Kindergarten: Eigentlich gilt in Bayern das Konnexitätsprinzip, vereinfacht gesprochen: Die Instanz, die über eine Aufgabe entscheidet, ist auch für die Finanzierung zuständig. Ich kann mich nicht erinnern, dass der Stadtrat von Gerolzhofen einen Rechtsanspruch für die Kinderbetreuung, für U3-Betreuung oder Ganztagsbetreuung entschieden hat. Können wir auch nicht. Aber warum stellt es jetzt unseren Haushalt vor unlösbare Probleme, weil wir jetzt auf eigene Kosten die Räume und den Betreiber dafür bezahlen müssen.
Ich würde es begrüßen, der der Bayerischer Gemeindetag dagegen klagen würde und die Stadt Gerolzhofen sich der Klage anschließen würde.
Das Rauswinden des Staates aus dem Konnexitätsprinzip ist die nächste Scheibe der Salamitaktik, die meine Handlungskompetenz als Stadtrat einschränkt. Das Geld ist weg, darüber kann ich nicht entscheiden.

Verantwortung, Haftung und Organisationsverschulden

Das nächste Thema ist der Umgang mit Verantwortung. Unseren Organisationen, hier unserem Bürgermeister, wird eingetrichtert, dass er als Kopf der Organisation persönlich haftet, wenn es ein Organisationsverschulden gibt. Also wenn ein Risiko eintritt und er es nicht vorher bestmöglich gemanagt hat. Was bedeutet das in der Praxis: Weil Schäden im Kanalnetz zu Umweltschäden führen können, soll angeblich ein Bürgermeister persönlich haften. Außer er lässt alle 10 Jahre den Kanal begutachten und verwaltet Schadstellen. Das kostet uns in 10 Jahren ca. 1 Mio €. Wir haben noch nicht mal ansatzweise alle Schadstellen von vor 10 Jahren behoben, aber jetzt wird es wieder analysiert. Wäre es nicht geschickter, für die Million Euro ein paar hundert Meter Kanal zu sanieren, anstatt sich teuer bestätigen zu lassen, wo unser Kanal kaputt ist? Jeder Gerolzhöfer kann das billiger sagen, wenn er über das Loch in der Spitalstraße stolpert.
Oder das Baumkataster. Bei Stürmen können Bäume umfallen, Äste herunterfallen und wenn es schlimm läuft, Menschen erschlagen. Wenn wir jedes Jahr jeden Baum einzeln begutachten, haben wir ein ordentliches Management und wenn dann ein Baum wie an der evangelischen Kirche umfällt – laut Baumkataster ein unauffälliger Baum – haftet niemand. Wir haben ja alles getan. Würde man wie die 100 Jahre zuvor agieren, dass Bürger krankhaft aussehende Bäume dem Stadtgärtner oder dem Bürgerbüro melden, und dann gehandelt wird – abgesehen davon, dass unser Bauhof und die Stadtgärtner ja täglich mit offenen Augen in der Stadt unterwegs sind – hätten wir uns in den letzten Jahren bereits knapp eine halbe Million Euro sparen können. Und ich konnte nicht beobachten, dass aktuell weniger Äste herunterfallen als früher. Höhere Gewalt bleibt höhere Gewalt. Aber es ist wieder ein Stück der Salamitaktik, die meine Handlungsfreiheit als Stadtrat einschränkt, da über diese Mittel ich faktisch nicht entscheiden kann.

Hier ist bewusst unserem Bürgermeister kein Vorwurf zu machen, wenn er in seinem Amt sein persönliches Haftungsrisiko reduziert und daher mehr Vorschriften übernimmt. Hier würde ich mir wünschen, dass Bürgermeistern generell von der Politik der Rücken gestärkt wird und die Haftungsrisiken von der Kommune – und nicht vom Bürgermeister – getragen werden, wenn sich der Stadtrat im Einzelfall anders entscheidet und Risiken bewusst akzeptiert um handlungsfähig und solvent zu bleiben.

Zweierlei Maß

Das Thema Verantwortung kann man an so vielen Stellen durchdeklinieren, z.B. beim Brandschutz von Gebäuden, wenn die Bürger sie nutzen wollen. Aber wenn es nicht um die städtische Bürgerversammlung in der Stadthalle geht, sondern übergeordnete Stellen Platz für ein Impfzentrum oder eine Notunterkunft suchen, ist der Brandschutz nur noch sekundär. Diese Beliebigkeit frustriert nicht nur mich als Stadtrat, sondern auch viele Bürgerinnen und Bürger.

Kosten Schulprojekt

Im Haushalt steht für das Schulprojekt ein Eigenanteil von 9 Mio. € bei 50 Mio. € Baukosten. Diese Zahl steht da, weil das die aktuelle Beschlusslage abbildet, nicht den aktuellen Informationsstand. Zu dem Thema gab es einen Antrag der CSU, den wir vorerst zurückgezogen haben und wir erwarten, dass es bald seitens der Verwaltung einen ähnlich lautenden Vorstoß geben wird, der nahelegen wird, dass die im Raum stehenden 60 Millionen nicht unrealistisch sein werden. Und auch hier greifen übergeordnete Ebenen gemäß der Salamitaktik in unsere finanzielle Entscheidungskompetenz: Die Ausstattung – und somit die Baukosten – für die Schulen gibt der Staat vor, wir denken uns die Flächen nicht aus, im Gegenteil, die neuen Klassenzimmer werden den Vorgaben entsprechend signifikant kleiner werden als die heutigen. Wir bauen genau das, was wir bauen müssen. Aber die Zuschüsse dafür sind gedeckelt und wenn sich die Kosten für den Schulverband von 50 Mio. € um 10 Mio. € auf 60 Mio. € erhöhen werden, wird sich der Eigenanteil des Schulverbandes um die vollen 10 Mio. € erhöhen, damit unser Gerolzhöfer Anteil um rund 5 Mio. €.

Veränderung der Rahmenbedingungen

Was wäre mein Wunsch an die große Politik?
Wir brauchen Rahmenbedingungen für Verbesserungen für die Bürger, nicht ständig neue Bürokratieebenen.
Wir müssen wieder die eigentlichen Sachen angehen und Missstände beheben, anstatt nur noch Missstandsmanagement zu betreiben.
Wir müssen unseren demokratischen Gremien wie dem Stadtrat und dem Bürgermeister wieder echte Handlungsspielräume einräumen, damit die Bürgerinnen und Bürger spüren, dass mit ihrer Stimme bei der Wahl etwas bewegt wird anstatt durch das Bürokratie- und Haftungskorsett die Hilflosigkeit aller Beteiligten aufgezeigt und so die Demokratiemüdigkeit vorangetrieben wird.

Drohender Verlust der Handlungsfähigkeit

Bin ich persönlich aktuell eher der einsame Mahner um die Stadtfinanzen, prognostiziere ich, dass sich in Zukunft wieder mehr Stadträtinnen und Stadträte um unsere Finanzen sorgen werden. Denn wenn wir die Projekte im langfristigen Haushalt tatsächlich so umsetzen würden, und dann die heute bekannten Preissteigerungen kommen – und ich erinnere nur an die letzte Sitzung mit der Marktplatz-Kostenschätzung von 7,8 Mio €, während beim Beschluss 2021 die Mainpost aus der Sitzung von unter 2 Mio € Baukosten inkl. Untergrund, Wasser und Kanal berichtet – wenn also diese Preissteigerungen so bei den Projekten Schule, Kindergarten, Marktplatz kommen, dann waren das die letzten Entscheidungen, die wir als Stadtrat fällen, dann verlieren wir unsere Handlungsfähigkeit und die Rechtsaufsichtsbehörde wird das Ruder übernehmen und dann werden freiwillige Leistungen von außen zusammengestrichen. Ich setze darauf, dass der Stadtrat es mehrheitlich nicht so weit kommen lassen möchte, sondern selbst entscheiden möchte, ob und welche freiwilligen Leistungen und Einrichtungen er betreiben möchte.

Geomaris Defizit

Ich habe mich in den letzten Jahren wenig zum Geomaris geäußert, aber ich persönlich sehe diese freiwillige Leistung immer kritischer und ich persönlich werde gegen den Wirtschaftsplan stimmen. Am 11.11.2011 zitiert die Mainpost unseren Betriebsleiter – der den Betrieb sehr gut und sehr sparsam führt, das ist ausdrücklich keine Kritik an ihm, sondern Kritik an uns Stadträtinnen und Stadträten – dass eine Sanierung des Geomaris ein Defizit von unter 300.000 € ermöglicht. Je nach Betrachtung führt das Geomaris in den Folgejahren zu einem Betriebsaufwand von mind. 700.000 € pro Jahr und einer Verlustübernahme durch die Stadt von weit über 1 Mio. €. Denn eine bittere Wahrheit ist: Schulden muss man zurückzahlen, und Abschreibungen stehen nicht nur auf dem Papier, sondern jeder kann sie beobachten: Die Investition verliert an Wert, es sind wieder neue kleinere Investitionen notwendig, um die große Investition zu erhalten.

Wir leben über unserem Wohlstand

Was eine Diagnose für unser gesamtes Land ist, können wir überall in Gerolzhofen beobachten: Wir leben weit über unserem Wohlstand. Unsere heutigen Wohltaten werden nicht von unseren heutigen Mittel bestritten. Und wir verprassen Gelder in freiwilligen Aufgaben und vernachlässigen unsere Pflichtaufgaben und fahren die Infrastruktur auf Verschleiß.
Ist es wirklich gerecht und erstrebenswert, jedes Jahr rund eine Million Euro für ein großartiges Schwimmbad auszugeben und dafür Toilettenanlagen in der Mittelschule zu schließen? Es in städtische Gebäude reinregnen zu lassen? Löcher in Straßen und Fußgängerbereichen zu lassen?

Verantwortung unserer Fraktion

Wenn ich den langfristigen Haushaltsplan so kritisch sehe, warum werde ich dem Haushalt dann zustimmen?
Weil der Haushalt auch eine Formalie ist. Wir brauchen den Haushalt, um die laufenden Ausgaben und Pflichtaufgaben abwickeln zu können. Weil es müßig ist, heute jedes Detail auszudiskutieren, sondern wir als CSU und ganz besonders ich persönlich verspreche, dass wir auch in Zukunft bei jeder Einzelentscheidung im Haushalt – wie z.B. letzte Woche bei der Marktplatzsanierung – sehr kritisch abwägen werden, ob wir es uns wirklich leisten können und leisten wollen, dafür unseren Kindern und Enkeln neue Schulden aufzubürden und ihnen und ihren zukünftigen Vertretern im Stadtrat die Handlungsfähigkeit einzuschränken.

Leistungsfähigkeit bei Baumaßnahmen

Ein weiterer Aspekt, der mich diesem Haushalt zustimmen lässt, ist, dass wir eine natürliche Grenze beim Geldausgeben haben. Unser Investitionsprogramm ist Jahr für Jahr viel höher angesetzt – oft doppelt so hoch – als wir dann tatsächlich investieren. Weil es zum Glück gar nicht so einfach ist, Geld in Baumaßnahmen auszugeben. Selbst wenn man für Ausschreibungen und Planungen inzwischen überall externe Fachbüros beauftragen muss, können diese auch nur arbeiten und Geld ausgeben, wenn sie von unserem Stadtbauamt mit Informationen gefüttert werden.

Danksagung

Damit bin ich am Ende.
Mein ganz besonderer Dank gilt unserem Kämmerer, Dir, lieber René Borchardt. Auch in der Kämmerei haben wir unseren Stellenplan nicht besetzt. Gute Kämmerer sind rar. Ich bin stolz, dass wir einen guten Kämmerer haben und dass der Kämmerer und ich unsere Vorstellungen von solider Haushaltsführung teilen. Vielen Dank!

Zustimmung zum Haushalt

Dem Haushalt 2024 stimmt die CSU Fraktion zu.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Kommentare

Lieselotte Feller
Antworten

Lieber Arnulf,
vielen Dank das du mir deine Haushaltsrede ges chickt hast.Die finanzielle Situation spitzt sich zu. ich wünsche und allen Stadträten Weitblick
auf das wir weiterhin stolz auf unsere Stadt sein können.
Viele Grüße und gute Entscheidungen wünscht euch Lieselotte

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