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Flüchtlingshilfe und Größenordnungen im Staatshaushalt

Über die Flüchtlingshilfe wird im Moment intensiv diskutiert und die Aufnahme stellt uns vor große Herausforderungen.
Aber das ist kein Grund, nicht faktenbasiert über das Thema zu reden. Insbesondere was die Kosten betrifft.

2015-08-27 09.02.28

Ich persönlich habe jetzt angefangen, Facebook-Freunde zu entfreunden, wenn sie zuviel von diesen Hass-Texten teilen, z.B. diesen Kindergarten-Text: Der Text geht irgendwie in der Form „Stellen wir uns einfach mal vor…Kindergärten würden im selben atemberaubenden Tempo wie Asylheime aus dem Boden schiessen….“ und dann kommt eine sehr lange Auflistung von angeblich fehlenden Wohltaten für Deutsche, die Flüchtlinge angeblich erhalten (z.B. ein Willkommensgeld, das es nicht gibt).

Die Ursprungsposter wollen bösartig hetzen, nicht die Wahrheit verbreiten, denen kann man erst mal keinen Vorwurf machen, das machen sie gut.

Nur wenn es jemand weiterverbreitet muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er entweder ebenfalls bösartig hetzen will oder ein Informationsdefizit hat (ich will jetzt nicht schreiben „dumm ist“). Im Gegensatz zu anderen Ländern ist unser Staatswesen sehr transparent und man kann alle Informationen selbst nachprüfen (soweit, dass man jeder Entscheidung im Stadtrat, Landtag, Bundestag persönlich beiwohnen kann, denn die Haushaltsbeschlüsse sind öffentlich).

Bevor ich auf inhaltliche Details eingehe, gebe ich erst mal einen Überblick über unsere Finanzlage.
Die Flüchtlinge werden uns dieses Jahr nach Schätzungen ca. 10-15 Mrd. € kosten (bei 80,62 Mio Einwohner sind das 124 € – 186 € pro Einwohner und Jahr). Ist viel Geld, aber ich glaube manchmal, viele wissen nicht, wie groß unser Haushalt ist und sind nicht in der Lage, das in Relation zu setzen.

Hier ein paar Vergleichszahlen

Das gibt der Bund von unseren Steuern für uns aus:

Haushalt des Bundes 2015: 301,6 Mrd. € (3.741 € /Ew)

Größte Ausgaben:

  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales gesamt 125,6 Mrd. € (1.558 € /Ew)
    • davon Unterstützung zur Rentenkasse: 90,37 Mrd. € (1.121 € /Ew)
    • davon 2. & 3. Buch Sozialgesetzbuch („Harz 4“): 33,12 Mrd. € (411 € /Ew)
  • Bundesministerium der Verteidigung (“Bundeswehr”): 32,97 Mrd. € (409 € /Ew)
  • Bundesschuld („Zinszahlungen“): 24,34 Mrd. € (302 € /Ew)
  • Bundesministerium für Verkehr (“Straßenbau”): 23,28 Mrd. € (289 € /Ew)
  • usw., mehr Infos unter http://www.bundeshaushalt-info.de/startseite/#/2015/soll/ausgaben/einzelplan.html

 

Dann geht’s weiter mit dem Land, hier Zahlen von Bayern (12,44 Mio Einwohner):
Haushalt Bayern: 51,14 Mrd. € (4.110 € /Ew)
Größte Ausgaben:

 

Dann geht es weiter auf die kommunale Ebene, hier Werte für Gerolzhofen (6800 Ew.):

 

Wer auf seinen Lohnzettel schaut, sieht weitere Haushalte, nämlich die Sozialversicherungen, allen voran die Krankenversicherung und Rentenversicherung, aber auch die gesetzliche Pflege-, Unfall-, Arbeitslosen- und weitere Versicherungen

  • Ausgaben Sozialversicherung: 513,3 Mrd. € (6.367 € /Ew)
    • davon Ausgaben Deutsche Rentenversicherung: 253,4 Mrd. € (3.143 € /Ew bzw. 10.217 € /Rentner)
    • davon Ausgaben gesetzliche Krankenversicherung: 176,0 Mrd. € (2.183 € /Ew bzw. 3.327 € /Versichertem)
  • usw., mehr Infos unter https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/

 

Ganz grob geben wir für Bund (3.741 €), Land (4.110 €), Kommune (2.989 €) und Sozialversicherung (6.367 €) im Jahr 17.207 € aus und bekommen das Geld natürlich auch in gleicher Höhe zurück, denn es verschwindet ja nicht (auch wenn man am Stammtisch oft diese Meinung hört, aber irgendjemand finanziert unsere Straßen, Schulen, Renten, Krankenhäuser, Demokratie, etc.).

Ich habe ja bei jedem Punkt die Quellen mit angegeben, da kann sich jeder weiter einlesen und von einem aufgeklärten Bürger erwarte ich so etwas eigentlich auch.

Und jetzt kommen wir zu den Kosten für die Flüchtlinge. Das sind bei 10 – 15 Mrd. € ca. 124 € – 186 € pro Einwohner, also ca. 0,74% bis 1,08 % unserer staatlichen „Transferleistungen“.
Weit weniger als uns die Inflation jährlich kostet oder weit weniger als wir durch die Krisen im Moment gewinnen: Dank Euroverwässerung durch Griechenland etc. zahlen wir ja im Moment ja kaum noch Zinsen, weder als Staat, noch wenn wir z.B. privat bauen oder als Unternehmen investieren (vor 10 Jahren noch rund 5% p.a., heute weniger als 2,5% p.a.).

Nun zu den „Argumenten“, die man immer wieder liest:
„Würde der Staat mal so viel Geld für …. [Kindergärten, Schulen, Rentner, was auch immer] ausgeben“ -> Wie man sieht, gibt der Staat ein vielfaches dafür aus. Z.B. Kindergärten: In England kostet ein Kindergartenplatz rund 1500 € im Monat. Und den müssen die Bürger selbst zahlen, was z.B. viele Frauen von der Beschäftigung abhält, denn spätestens ab dem 2. Kind kann man vom 2. Gehalt den Kindergarten nicht mehr bezahlen und es ist wirtschaftlicher nicht mehr zu arbeiten.
Bei uns kostet ein Kindergartenplatz ähnlich viel, aber bei uns ist eine Aufteilung, dass 40% das Land, 40% die Kommune und nur 20% die Eltern zahlen. Und z.B. bei uns in Gerolzhofen zahlt die Kommune noch mal einen Sonderzuschuss, dass die Eltern nur noch rund 10% der Kosten bezahlen.

Dann wird in den Hass-Texten auf Mangel hingewiesen: Das ist ein kommunalpolitisches Thema, das hat jeder selbst in der Hand: Wählt die Stadträte/Gemeinderäte, die Euch Kindergärten bauen. In Gerolzhofen können wir von der Krippe an (weit unter 1 Jahr) für jedes Kind ein Kindergartenplatz anbieten. Während wir bei Flüchtlingsnotunterkunften einen Mangel haben und daher jede Woche neue einrichten, gibt es diesen Mangel in der Form bei Kindergärten einfach nicht.

Weiter wird in den Hass-Texten immer wieder auf kostenlose Leistungen hingewiesen, die ein Flüchtling erhält, aber ein Deutscher angeblich nicht erhalten würde. Wenn jemand bei uns nicht in der Lage ist, sein Leben selbst zu erwirtschaften, bekommt er vom Staat auch alle Leistungen bezahlt. Es wird organisiert, dass die Kinder auch am gesellschaftlichen Leben (Vereine, Schulausflüge, etc.) teilnehmen können. Während der Flüchtling sein Mittagessen als Sachleistung bekommt und sich nicht aussuchen kann, was er zu Essen bekommt, bekommt ein ALG-II-Bezieher Geld von der Gemeinschaft und kann selbst entscheiden, welches essen er sich kochen will.
Während die Flüchtlinge zu Hunderten in Notunterkünften, teilweise in Zelten und auch später eng in großen Gruppen untergebracht sind, bekommt ein ALG-II-Bezieher immer eine eigene Wohnung von der Gemeinschaft.

Den Status-Quo können wir uns finanziell also problemlos leisten: es kostet uns rund 1% unser staatlichen Ausgaben und die anderen 99% kommen nach wie vor bei den bisherigen Empfängern an. Und es sind eigentlich nicht 99% sondern nach wie vor 100%, da wegen Flüchtlingen nichts anderes gekürzt wurde und wir müssen nicht mal neue Schulden für die Flüchtlingskosten aufnehmen, da wir im Moment einen ordentlichen Haushaltsüberschuss haben (leider nur auf Bundes- und Landesebene, die Kommunen – z.B. unsere Stadt Gerolzhofen – werden mit ihren Aufgaben direkt am Bürger eher alleine gelassen und häufen im Moment noch Schulden auf).

Im Kleinen, also bei uns vor Ort, muss eine Willkommenskultur herrschen, denn nur so kann eine Integration gelingen. Und auch wieder für Gerolzhofen kann ich voller Stolz sagen, dass dies der Fall ist: Täglich gibt es 4 Schichten in Asylcafe und Kleiderkammer mit jeweils 5-7 ehrenamtlichen Helfern pro Schicht und die Schichten sind voll. Die Bevölkerung spendet Kleidung und andere Basics und es funktioniert einfach.

Und die große Politik handelt ja: Es wird diskutiert, wie man die Lasten besser auf Europa verteilen kann, wie man die Partner überzeugt, aber auch das die Schritte wohlüberlegt sein müssen: Offene Grenzen in Europa sind das Ergebnis eines jahrzehntelangen Prozesses zwischen ehem. Kriegsgegnern, die zu Freunden geworden sind. In den Grenzregionen arbeiten und shoppen die Leute ganz selbstverständlich auf der anderen Seite der Grenze. Gerade in den Grenzregionen ist Europa eins. Will man diese Errungenschaften wirklich wegen +-1% Haushaltseinsparung aufs Spiel setzen?

Nur Sonnenschein?

Nein, natürlich nicht! Was ich als größtes Problem sehe, ist die kurzfristige Organisation. Wenn in München am Tag 10.000 Flüchtlinge ankommen, müssen an dem Tag 10.000 Betten organisiert werden. Und am nächsten Tag weitere 10.000 Betten. Auf unseren Landkreis runtergebrochen bedeutet das bei 71 Landkreisen und 25 kreisfreien Städten, dass unser Landkreis 10.000 / 96 = 104 Flüchtlinge aufnehmen müsste – pro Tag. Das ist eine Turnhalle, die man braucht – Tag für Tag. Plus Organisation, plus Verwaltungsmitarbeiter, plus Security & Catering, plus ehrenamtliche Helferkreise.

Das Schließen der Grenzen ist ein harter Schritt, aber vermutlich eine der wenigen Aktionen, mit denen wir Europa zum Handeln bewegen können.

Gleichzeitig müssen wir Mittel bereitstellen, um die Lage in syrischen Anrainerstaaten (Türkei, Libanon, Jordanien) zu verbessern, die europäischen Grenzstaaten (v.a. Italien, Griechenland, Ungarn) finanziell unterstützen, damit sie Flüchtlingsunterkünfte bereitstellen, und die Frage ist, ob unser Gewicht als starker Handelspartner für die reichen Golfstaaten nicht in die Waagschale geworfen werden kann, um sie zur Aufnahme von Flüchtlingen zu bewegen (Hebel könnten sein: Einkauf von Öl, Landerechte für die Golf-Airlines in Europa, Einstellung Waffenlieferung usw.).

Fazit

Wir sollten zusammenhalten und Flüchtlingen vor Ort großzügig Hilfe geben. Wir sollten uns nicht vor Ort am Stammtisch oder bei Facebook über die große Asylpolitik zerfleischen. Wenn Ihr “asylkritisch” seid, geht auf Demos gegen die Regierung, nicht gegen das Flüchtlingsheim. Postet Eure Angriffe in die Facebookseite der Bundesparteien, nicht in sozialen Gruppen der Stadtgemeinschaft.
Hass wird das Flüchtlingsproblem nicht lösen – aber unsere Gesellschaft beschädigen.

 

Update 17.09.2015: Siehe auch meine Antwort in den Kommentaren: #comment-51

Kommentare

Rene
Antworten

Sehr schön geschrieben und gut dargelegt. Hoffentlich lesen das auch die besorgten Bürger die den falschen Facebookpredigern hinterher laufen.

Carlos Salgado
Antworten

Danke!

Paul
Antworten

Vorbehalte gegen das Tolerieren von massenhafte illegaler Einwanderung muss nicht mit Hass zu tun haben. Einfacher Menschenverstand. Ihre Zahlen mögen korrekt sein. Sie gehen aber am Thema vorbei. Es ist nicht nur ein finanzielles Problem. Und die Zahlen beziehen sich auf dieses Jahr. Die Einwanderer bleiben. Es kommen neue dazu. Unserer großzügigen Einladung folgen sicher gerne jedes Jahr 1 Mio und mehr. D.h. in 3 Jahren sprechen wir von 50 Mrd. p.a. Von der völlig unmöglichen Integration zu schweigen. Diese Konzeptlose Politik ist kurzdichtig und unverantwortlich. Sie hilft auch nicht wirklich. Es gibt Dutzende Millionen in Afrika die gerne in D leben wollen. Irgendwann müssen wir eh de Grenzen dicht machen.

Sepp Geiger
Antworten

Ich bin mir sicher, dass deine Zahlen stimmen, nur hat du vergessen, dass das „reiche Deutschland“ ca. 2 Billionen € Schulden hat, die im Wesentlichen von deiner Generation zurückgezahlt werden müssen. Aber die jetzigen Kosten können wir sicher bei gleichbleibender guter Konjunktur tragen, aber die endet auch einmal. Für mich ist das Hauptproblem die Integration der Menschen aus einem völlig anderem Kulturkreis mit bis zu 20 verschiedenen Sprachen. Wo sollen denn die Lehrer herkommen, die diese Menschen in Deutsch unterrichten, um auch nur die Chance einer Integration zu ermöglichen? Nach officiellen Angaben sind bis zu 30 % Analphabeten unter den Flüchtlingen. Und ob die Diplome der Akademiker und Berufsabschlüsse aus diesen Ländern bei uns anerkannt werden, ist die nächste Frage. Gerne bin ich bereit, mit dir mal bei einem Schoppen über die weiteren Probleme zu diskutieren. Nur möchte ich mich nicht auf die Stufe von Nazis herabwürdigen lassen, nur weil ich nicht die Euphorie einiger Leute teile, sondern auch die kaum lösbaren Probleme hinweise.

Arnulf Koch
Antworten

Ein Problem ist immer, dass in einem Kommentar ganz viele Themen aufgemacht werden. Ich habe mich in meinem Blog ja nur auf einen ganz kleinen Bereich konzentriert. Denn über jeden Aspekt kann man intensiv diskutieren.

Zu den Schulden: Da herrscht Waffengleichheit zwischen den Ländern, alle haben ungefähr etwas unter 100% vom Bruttosozialprodukt als Staatsverschulung und überall bezahlen inzwischen die eigenen Notenbanken die Verschuldung, sowohl in Amerika, Europa und Asien.

Den Wert einer Währung stellt ja die Volkswirtschaft dahinter dar. Japan hat seit langem gut 200% Staatsverschulung und solange deren Wirtschaft läuft funktioniert das System. Im Prinzip zahlt ja jetzt schon die Inflation die Schulden zurück.

Vor 10 Jahren betrugen die Zinsausgaben 37,4 Mrd. € bei einem Bundeshaushalt von 259,8 Mrd € (14,4%), für 2015 sind 24,3 Mrd. € Zinsausgaben bei einem Haushalt von 301,6 Mrd. € vorgesehen, also 8,1 %, unsere spürbaren Ausgaben für Zinsen haben sich in der Zeit knapp halbiert. Neue Refinanzierungen bekommt der Bund für +-0% und seit 2013 sinkt der absolute Schuldenstand (der relative dank explodierender Steuereinnahmen sowieso). Egal wie sich die Wirtschaft die nächsten Jahre entwickelt, die Zinszahlungen werden erst mal sinken (natürlich können sie dann auch wieder steigen, wenn wir eine Krise bekommen).

Aufgrund der Schuldenstände und Staatshaushalte aller Länder und der starken Wirtschaftsvernetzung sitzt ja im Moment die ganze Welt in einem Boot und wenn ein Land platzen sollte, reißt das viele andere mit sich. Daher werden wir Griechenland erst mal lange Zeit lang retten: solange wir die Griechischen Schulden finanzieren, haben wir auch eine Forderung auf dem Papier, im Moment verdient Deutschland direkt [Zinszahlungen] und indirekt [historisch niedriges Zinsniveau] an der Euro-Situation. Auch wenn es der Stammtisch nicht versteht, ist es das Vernünftigste, das Spiel so lange mitzuspielen, bis wir eine Alternative finden die Deutschland mehr nutzen könnten. Und ich kann die Auswirkungen für die Wirtschaft nicht genug betonen. Mein Unternehmen konnte dank dem aktuellen Zinsniveau stark wachsen und v.a. stark investieren, was vor 10 Jahren nicht gegangen wäre (damals hat mein Unternehmen 5 Mitarbeiter beschäftigt, heute 20). Und eine junge Familie kann sich heute ein Haus leisten, das vor 10 Jahren nicht gegangen wäre.

Ich habe auch Angst vor dem was passiert, wenn wir die nächste Wirtschaftskrise bekommen. Was machen dann die größeren europäischen Wackelkandidaten (Italien, aber auch Frankreich) und was macht dann unsere Exportwirtschaft, was macht dann ganz konkret die Schweinfurter Industrie, von der die ganze Region (auch mein Unternehmen und viele meiner Kunden) zu großen Teilen abhängt?

Aber auch dann kosten uns die Flüchtlinge immer noch nur 1% unserer Ausgaben und die Sozialversicherung immer noch 37%, egal wie sich die Einnahmen entwickeln.

Zur Integration: Natürlich wird das nicht einfach, insbesondere wenn mal die Euphorie der Helferkreise verflogen sein wird. Aber ganz so schwarz würde ich das nicht sehen. Wenn man sich mit den syrischen Flüchtlingen unterhält, scheint das eher alles Mittelklasse zu sein, so eine Flucht kostet ja auch viel Geld. Anne hat eine Geschichte aufgeschrieben, die werde ich demnächst mal im Blog veröffentlichen. Man hört oft Zahlen von 5.000 – 20.000 € Invest für die Flucht. Ich denke mal in Syrien ist das noch mehr Kaufkraft und ein Analphabet wird dort wohl auch nicht auf solche Einkommen kommen. Auf jeden Fall so sind in Gerolzhofen Syrische Ärzte, Ingenieure, Akademiker. Hier ist die moralische Frage, ob die nicht eher wieder nach einem Krieg für einen Wiederaufbau in deren eigenem Land gebraucht werden, aber ich glaube, dass sich gerade die Syrer auch gut bei uns integrieren können.

Und ich denke mir zur Integration immer: Die Menschen sind jetzt da und wir haben in Gerolzhofen quasi nur Syrer. Egal wie die Asylgesetze verändert werden, egal wie dicht die Grenzen werden: solange Krieg in Syrien ist (und seitdem da jetzt auch noch die Russen für Assad mitmischen, die Türken offenbar eher „unsere“ kurdischen „Alliierten“ bombardieren und die Ölstaaten wohl den IS finanzieren, wird sich da wohl so schnell keine Lösung abzeichnen), solange werden wir die aktuell bei uns aufgenommenen Syrer beherbergen und integrieren. Und die Integration wird doch mit Sicherheit besser gelingen, wenn eine hilfsbereite Bevölkerung sie vor Ort mit offenen Armen empfängt und so wirklich unsere christlichen Werte lebt und vermittelt, als wenn sie nur mit Hass empfangen werden. Die haben ja vielleicht auch Vorurteile uns gegenüber und ich bin mir sicher, einen besseren Weg diese abzubauen als die Willkommenskultur in unserem Asylhelferkreis Gerolzhofen gibt es nicht.

Zur Sprache: Mein Freund Rolf betreut jetzt schon länger (ein Jahr?) syrische Flüchtlinge und unterrichtet Deutsch. Hier im Asylcafe wollten die Syrer schon am ersten Tag der Ankunft Deutsch lernen und auch das wird von Ehrenamtlichen geleistet. Das Lernmaterial ist professionell und die Praxis zeigt, dass eben auch Nicht-Lehrer hier Deutschunterricht geben können.

Sepp, natürlich stellt uns das vor riesige Herausforderungen und wenn man Extremwertbetrachtungen vornimmt („können wir 1 Mrd. Menschen aus Afrika + Nahost aufnehmen“) kommt man natürlich zu dem Ergebnis, dass das nicht geht, das wären 1200% unserer Bevölkerung. Aber im Moment reden wir über +-1,5%. Hier muss man einfach anerkennen, dass andere Länder (z.B. die Nachbarstaaten von Syrien) im 2-stelligen Prozentbereich aufnimmt (ohne das jetzt gegoogelt zu haben habe ich Zahlen im Hinterkopf dass die Türkei rund 10% ihrer Bevölkerung als Flüchtlinge aufgenommen hat und der Libanon 40%). Dann wird eines der reichsten Länder der Erde doch auch vielleicht 2% oder 3% vertragen können. Insbesondere wenn man das in Zukunft besser organisiert (Anträge schneller bearbeiten, Flüchtlinge besser auf Europa aufteilen, Flüchtlingslager im Nahen Osten besser ausstatten).

Und dann ist die Frage, ob das nicht einfach die ersten Vorboten einer neuen Völkerwanderung sind. Vor 25 Jahren haben wir Schüler von Euch Lehrern doch beigebracht bekommen, dass Überbevölkerung (hat sich seitdem enorm verschlimmert) und Wasserarmut/Wüstenausbreitung (hat sich seitdem enorm verschlimmert) zu Kriegen um diese knappen Ressourcen und zu neuen Völkerwanderungen in den wasserreichen Norden führen wird. Wenn man sich Analysen zu Syrien anschaut, scheint Bewässerung in der Türkei zu Wasserarmut in Syrien zu führen und das auch ein Teil des Problems zu sein, genauso wie in vielen Bereichen in Afrika. Was machen wir, wenn sich in einigen Jahrzehnten nicht nur ein paar Millionen Syrer auf den Weg nach Europa machen, sondern wirklich eine Milliarde Wüstenbewohner?

Peter Franz Thürl
Antworten

Du sprichst mir aus der Seele. Eine Zusammenstellung die jeder auf dem Tisch haben sollte der sich mit dem augenblicklichen Flüchtlingsproblem öffentlich und privat auseinandersetzen muss und will

Sepp Geiger
Antworten

Danke für deine umfassende Antwort, hast dir wirklich Zeit genommen und deine Argumente machen mich sehr nachdenklich und ändern einige meiner Sichtweisen, war ich doch einer deiner Lehrer, der in der 10 Kl. das Thema Überbevölkerung nach meinen vielen Reisen als junger Mann in die Türkei und Teile Nordafrikas ausführlich behandelt haben.Man merkt , dass du fundierten wirtschaftlichen Sachverstand und Analysefähigkeit hast und sehr sachlich argumentierst, dazu eine positive Sicht der Dinge, wie man sie in deinem Alter haben muss. Ich hoffe, du kannst all dies zusammen mit dem Wozi noch lange für Geo in die Waagschale werfen.

Marc Lindner
Antworten

Die intensive, garantiert übelst aufwendige Zahlenrecherche in allen Ehren…die Kosten, selbst wenn wir uns diese für eine gewisse Zeit in einem bestimmten Umfang leisten können, werden garantiert nicht dieselben bleiben. Denn die Integration in den Arbeitsmarkt wird verschwindend gering bleiben.
Das Problem der Kosten ist kurzfristig lösbar…aber es gibt schon genug andere Probleme, welche sich durch diese extreme Zuwanderung noch verstärken werden. Beispiel: Stadtviertel, in welche sich nicht mal mehr die Polizei traut, schon gleich kein einheimscher mehr. Männer, welche nachweislich Vielehen eingehen und sich hierzu ihre Frauen aus Syrien herholen…von deren Kinder ganz zu schweigen…das bezahlen alles wir…gehts noch???
Was vielen noch viel mehr die Nase hochgeht…dass kaum noch die Wahrheit und zwar in vollem Umfang in den Medien berichtet wird. Beispiel: ein Mitbürger anderer Herkunft begeht eine Straftat, welche auch immer, man wird nie lesen, dass es ein Ausländer war. Warum ist das so? Weil wir bewusst manipuliert werden.
Meine Meinung: Wir werden uns alle noch umschauen. Mord, Todschlag, Verbrechen, Vergewaltigungen, Straßenschlachten…usw.
Wir haben einfach nur Angst…Angst, dass unser Leben untergraben und zerstört wird durch so eine Fehlpolitik. Das ist weder fremdenfeindlich, noch rassistisch…

Simon Giesche
Antworten

Sehr interessanter Blog zu einem wirklich schwierigen Thema. Auch der die Kommentare sind wirklich interessant und das lesen eben dieser macht nachdenklich.
Zum Thema Staatshaushalt und Ausgaben sollte man noch bedenken wo denn diese Zahlungen hin fließen werden.
Von den geschätzten 10 Milliarden Euro werden die Unterbringung und die direkte Versorgung der Flüchtlinge finanziert, d.h. es werden Miete, Catering, ärztliche Versorgung usw. bezahlt. Wer bekommt also das Geld? Deutsche Vermieter, Cateringunternehmen, Einzelhändler, Dienstleister, Ärzte, Krankenhäuser usw.!
Ein Großteil der 10 Milliarden bleibt also im eigenen Land und wird indirekt dem Staatshaushalt über Steuern und Gebühren zurück geführt.
Ein weiterer Großteil wird in die Löhne von Beschäftigten und Arbeiter der in den o.g. Berufen fließen und sichert somit auch unsere Arbeitsplätze.
Ein Teil des Geldes wird mit Sicherheit auch Deutschland verlassen und in das Krisengebiet fliesen. Vermutlich um den zurück gelassen Familien dort das überleben zu sichern oder die Flucht zu ermöglichen. Ein Teil wird mit Vermutlich auch dafür genutzt um Rebellen oder gar Terroristen zu unterstützen, aber das schaffen Unterstützer hier zu Lande auch ganz gut ohne das sie vorher nach Deutschland flüchten mussten.
Ja, ich habe auch Bedenken was die Zukunft betrifft. Ich habe selbst zwei Kinder und weiß nicht was für Gefahren die beiden erwarten werden. Aber alle Syrer, Iraker und Kurden die nach Deutschland kommen sind es, aus eigener Erfahrung (Beschäfigt im Sozialamt/Asylbewerberleistungsgesetz) sprechend, definitiv nicht. Natürlich wird es auch unter Ihnen Verbrecher und vielleicht sogar auch Mörder geben, aber die gibt es unter uns Deutschen auch.

Wir haben es vor 25 Jahren geschafft eine Mauer einzureißen, ich hoffe wir schaffen es auch jetzt die Mauer in unseren Köpfen einzureißen.

Julius
Antworten

Endlich mal ein Post, der sich detailliert mit den Kosten versucht auseinanderzusetzen. Gute Ansätze, jedoch bin ich der Meinung das sich zu diesem Zeitpubkt die mittel- und langfristigen Kosten kaum abschätzen lassen, da die im wesentlichen von der Integration der neuen Mitbürger, als auch von der Entwicklungen in den Ländern abhängen. Hier muss ich mich einigen anderen Kommentaren anschließen, dass die Kosten wohl über die kommenden Jahre gesehen nicht bei 1% unseres Haushaltes bleiben werden. Wahrscheinlich werden wir auch nicht in 3 Jahren von 50 Mrd. sprechen, weil viele der Flüchtlinge eine gute Bildung haben und integrationswillig sind. Wer sonst riskiert sein Leben um von Südosteuropa noch nach Deutschland zu kommen, wenn er sich dort nicht integrieren möchte.

Ansonsten ist alles sehr gut rechechiert und auch argumentiert. Allerdings erschließt sich mir nicht, inwiefern ein vorübergehendes Schließen der Grenzen die europäischen Partner zum Handeln bewegen soll? Is es so gemeint, dass weil die Grenze „geschlossen“ ist, niemand mehr nach Deutschland kommt? Oder bezieht es sich ehr auf die wirtschaftlichen Folgen?

Und jedem, der sich hier asylkritisch zeigt, möchte ich Fragen was er geleistet hat in einem sicheren und wohlhabenden Land wie Deutschland zu leben? Wieso sollten das Syrer, Somalis oder auch Serben nicht verdient haben?

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