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Benachteiligung der Mittelzentren

Gerolzhofen ist ein Mittelzentrum in Bayern. Und während Bayern glänzend da steht, ersticken wir in Schulden.
Am Beispiel von Gerolzhofen möchte ich wichtige Faktoren auflisten, wie Mittelzentren in Bayern systematisch zugunsten der Großstädte benachteiligt werden.

Es gibt keine ausreichende Förderung des ländlichen Raums!

Es wird viel von einer Förderung des ländlichen Raums geredet, aber ich möchte darlegen, warum das nicht der Fall ist und vielmehr eine Förderung der Großstädte zu Lasten des ländlichen Raums stattfindet.
Es läuft überall auf das gleiche Prinzip raus: Man freut sich über eine 300-€-Gehaltserhöhung, weiß aber nicht, dass der Kollege eine 600-€-Gehaltserhöhung bekommen hat.
Ich möchte im folgenden Artikel aufzeigen, dass sich dieses Prinzip systematisch durch alle Bereiche durchzieht.

 

ÖPNV findet kaum statt.

Verbindung nach Würzburg: 2 Stunden für 40 km Luftlinie. Aus dem 300 km entfernten München bin ich mit dem ICE fast genauso schnell nach Würzburg als hier in den Nachbarlandkreis gefahren.
Dann unsere Busverbindungen: 20 oder 30 Minuten Takt? Schön wärs.
Was passiert mit unserer Bahnlinie? Seit rund 30 Jahren kein regulärer Personenverkehr mehr.
Die zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke kostet 3,84 Mrd € [1]. Die Stadt München beteiligt sich mit 0,11 Mrd. €. Land, Bund, Bahn etc. zahlen also 3,77 Mrd. € oder bei 1,5 Mio Einwohner rund 2500 € pro Einwohner.
Auf den Landkreis Schweinfurt runtergebrochen wären 2500 € externe Mittel pro Einwohner in Summe 283 Mio €. Mir ist im Landkreis keine einzige extern geförderte ÖPNV-Invest-Maßnahme bekannt.
Die Reaktivierung der Bahnstrecke Gerolzhofen-Schweinfurt dürfte je nach Schätzung zwischen 20 und 100 Mio € kosten. Warum ist das Geld in München da, aber nicht im ländlichen Raum?
Frei nach Billy Wilder in “Eins, Zwei, Drei”: Keine Stadt sollte zwei S-Bahn-Stammstrecken haben, solange es noch Städte ohne S-Bahn-Stammstrecke gibt.

 

Mietpreisbremse

Das attraktive München wird noch attraktiver. Die Mietpreisbremse ist eine Schwächung des ländlichen Raums. Wir bieten günstigen Wohnraum: 5-6 €/m²! Lasst die Großstädte doch unattraktiv werden. Dann nimmt der Zustrom von alleine ab und mehr Menschen siedeln sich auf dem Land an. “Aber die Arbeitsplätze sind doch in der Stadt”: Wenn die Unternehmen keine Mitarbeiter mehr in den Städten finden, werden die Unternehmen aufs Land kommen. Wir haben Flächen und günstige Gewerbesteuerhebesätze: Herzlich willkommen. Aber die große Politik schwächt den ländlichen Raum hier ohne Grund bewusst.

 

Refinanzierung der Einrichtungen

Die Einrichtungen strahlen ins Umland: VHS, Schwimmbad, Grundschulen, Kindergärten, Sportstätten etc..
Aber wir werden im Stich gelassen:
Nur die Bürger des Mittelzentrums zahlen es.
Schwimmen lernen soll angeblich wichtig sein. Lernen hört sich für mich nach Bildung an. Bildung ist Ländersache. Bekommen wir einen Zuschuss vom Land, z.B. vom Kultusministerium? Nein!

 

Entwicklung von Flächen

Am ländlichen Raum ist es offenbar wichtig, landwirtschaftliche Flächen zu erhalten. Um die Großstädte herrum ist das offenbar egal. Die Großstädte dürfen ewig wachsen, uns werden von der Regierung keine Flächen außerhalb genehmigt. Nicht nur, dass wir einen Nachteil gegenüber den Städten haben, es werden uns weitere Knüppel in den Weg geworfen.

Und jetzt könnte noch ein Nationalpark kommen: Die Zementierung der Rückständigkeit: Bloß keine Industrieansiedlung ermöglichen, die gutbezahlte Arbeitsplätze bietet. Lebt Ihr am Land bitte mal vom Tourismus mit Mindestlohn- und Saisonjobs. Wenn das der Jugend zu wenig ist, kann sie ja in die Städte ziehen. Super Konzept!

 

Kommunale Solidarsysteme

Ganz kleine Kommunen bekommen Geld vom kommunalen Finanzausgleich. Wo kommt das Geld her? Von jeder etwas größeren Kommune werden rund 70 € pro Einwohner abgeführt. Gerolzhofen z.B. hat eine Finanzkraft von xxx € pro Einwohner (Finanzkraft = Steuereinnahmen minus Umlagen = das Geld, dass der Kommune bleibt). Das sind bei uns xx%. Neulich war ich in Unterhaching: die haben xxxx € Finanzkraft pro Einwohner, zahlen aber auch nur xx € pro Nase. Die reichen Kommunen finanzieren den Solidarpakt also mit x% Ihrer Einnahmen, die armen Kommunen mit xx%% Ihrer Einnahmen. So sieht Gerechtigkeit aus. Nein, natürlich nicht!

Ihr habt doch die Gewerbesteuer, macht was.
Ja das stimmt, die Gewerbesteuer ist die Steuer der Kommunen. Irgendwie. Unser Kämmerer rechnet uns vor, dass wir von 1 € Gewerbesteuermehreinnahmen 30 Cent für den Haushalt einrechnen können und 70 Cent in Umlagesysteme reingehen.

Aber schauen wir es uns im Detail an, wie die Umlagesysteme in der Praxis aussehen:

Quelle: [2] Bayerisches Landesamt für Statistik

Gerolzhofen hat gute Steuereinnahmen: mit 724 € pro Einwohner sind wir nah beim Durchschnitt von Unterfranken (733 €) und deutlich über dem Landkreis Schweinfurt oder vergleichbaren Mittelzentren wie Volkach und Kitzingen.

Leider sieht es nach den Umlagesystemen nicht mehr so gut aus: Werden im Bezirk im Schnitt 151 € pro Einwohner umgelegt, wird Gerolzhofen 304 € weggenommen und so haben wir pro Bürger nur 420 € zur Verfügung, während es im Bezirk 582 € sind. Wir haben also 162 € weniger als der Durchschnitt. Ohne diese Umlageungerechtigkeit müssten wir uns nicht verschulden!

Quelle: [2] Bayerisches Landesamt für Statistik

Ähnlich wie beim Länderfinanzausgleich kann es auch beim kommunalen Finanzausgleich zu massiven Ungerechtigkeiten kommen, dass diejenigen, die vorher weniger hatten, nach dem Ausgleich mehr haben.
Ebrach verbessert sich von 351 € auf 483 € während Gerolzhofen von 724 € auf 420 € sinkt.
Leider ist die Datenrecherche recht aufwändig: Ich habe die ganzen PDFs der “Statistik Kommunal” https://www.statistik.bayern.de/statistikkommunal/ manuell analysiert, aber bei meiner Stichprobe habe ich keine Kommune gesehen, die weniger Finanzkraft als Gerolzhofen hat. Reiche Kommunen wie Unterföhring (3.224 € Finanzkraft / EW) oder Grünwald (11.676 €) habe ich nicht in die Grafik aufgenommen, das würde die Skala der Grafik sprengen.

Aber man sieht hier – abgesehen von ganz armen Kommunen wie Ebrach – die Umverteilung des Geldes vom Land in die Stadt Würzburg. Und man sieht, dass “niemand” so wenig behalten darf wie Gerolzhofen (bestimmt gibt es Kommunen, die am Ende noch weniger haben, aber von den typischen Vergleichs-Kommunen stehen wir am Schlechtesten da, obwohl wir eine höhere Steuerkraft haben).

Egal ob die Städte größer oder kleiner sind, egal ob reicher oder ärmer: In meiner Stichprobe habe ich keine Kommune gefunden, die nach den Umlagen eine schlechtere Finanzkraft als unsere 420 € hat.

 

Kommunikation

Schauen wir uns auch mal die Sprache an:

Es wird von der Förderung des ländlichen Raums gesprochen, nicht von der Förderung der ländlichen Bevölkerung. Also soll hier offenbar der Raum, die Fläche der Maßstab sein. Unser Landkreis Schweinfurt hat 841 km² Fläche, die Stadt München 310 km². Möchte man den einen Raum, nämlich den ländlichen Raum fördern, müsste man ihm ja erheblich mehr geben als dem städtischen Raum.
Man erkennt sofort, dass das nur leere Worthülsen sind und der Gegenteil der Fall ist.

Denn natürlich ist der Slogan meiner Partei CSU “Näher am Menschen”, also ist die Stadt München mit 1,5 Mio Einwohnern relevanter als der Landkreis Schweinfurt mit 0,1 Mio Einwohnern.
Aber dann sollte man so ehrlich sein, und nicht den Flächenstaat hervorheben und immer wieder von einer Förderung des ländlichen Raums reden, wenn landesweite Maßnahmen den ländlichen Raum effektiv weiter schwächen und die Großstädte weiter stärken.

Ehrlicher ist schon das Finanzministerium, dass in seinen Dokumenten diese klaren Statements gibt:

„Kommunen, die besonders viel Geld ausgeben, sollen nicht allein aufgrund ihrer faktisch höheren Ausgaben auf Kosten der sparsam wirtschaftenden Kommunen einen höheren Anteil an den Schlüsselzuweisungen erhalten.“
und
„Finanzschwache Kommunen werden gestärkt, ohne finanzstarke Kommunen zu überfordern.“

Letztendlich soll es gar nicht so viel Solidarität in den Finanzausgleichsystemen geben und jeder soll für sich selbst verantwortlich sein.

 

Kultur

In der SZ war zu lesen, das Land Bayern fördert die Oper in München mit 54 Mio € jährlich, das Residenztheater München mit 25 Mio € jährlich usw. [4] Was fließt in den Landkreis Schweinfurt? Wir in Gerolzhofen haben 0,07 Mio einmalig für unser kleines Stadttheater bekommen. Klar, das Wort “klein” ist ja schon im Namen “Kleines Stadttheater” enthalten. Wo kämen wir denn hin, wenn man auf dem Land großes Theater machen wollten.

 

Ausweis von Gewerbeflächen

In Würzburg durfte das Fachmarktzentrum 500 Meter von der nächsten Wohnbebauung entfernt gebaut werden (und geteilt durch eine Bundesstraße), in Gerolzhofen wurde uns ein angefragtes Fachmarktzentrum von der Regierung von Unterfranken nicht genehmigt, weil es 75 Meter von der nächsten Wohnbebauung entfernt war und durch eine Bundesstraße geteilt ist.
In Gerolzhofen bekommen wir Probleme, 100.000 m² Industriefläche auszuweisen, weil wir uns am Bedarf orientieren müssen, Schweinfurt hat im Hafen auf Vorrat über 800.000m² Industriefläche erschlossen.
Wir in Gerolzhofen haben nicht mal die Chance, an einem Wettbewerb um Unternehmen teilzunehmen.

 

Zwischenfazit

Alle reden von der Förderung des ländlichen Raums und lassen sich feiern, wenn mal eine 60%-Förderung oder 80%-Förderung bewilligt oder ein Feuerwehrfahrzeug bezahlt wird, aber gleichzeitig werden die kleinen Mittelzentren im ländlichen Raum systematisch am langen Arm verhungert gelassen.

Nur mal ein Gedankenspiel:
In München wohnen nur 1,5 von 12,8 Mio Einwohner Bayerns. Bei der letzten Bundestagswahl 2013 hat die CSU in München 43,5% erzielt, im Landkreis Schweinfurt 51,0% erzielt, in Gesamt-Bayern kam man so auf 49,3%. Wenn primär der ländliche Raum CSU wählt, warum fördert die CSU geführte Regierung dann nicht den ländlichen Raum? Wir in Gerolzhofen stellen den CSU-Bürgermeister, in München regiert ein SPD-Bürgermeister.
Warum nicht die Mittel gerechter (!) innerhalb Bayerns verteilen und hier für noch mehr Zufriedenheit sorgen? Selbst politisch müsste es sich rechnen: Wenn in München dann 10 Prozentpunkte weniger CSU wählen, aber auf dem Land 10 Prozentpunkte mehr, dann kommt unterm Strich viel mehr raus, da die Mehrheit der Bayerischen Bevölkerung ja noch außerhalb der Großstädte lebt.

 

Politische Forderungen

Und jetzt ein paar ganz konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Benachteiligung der Mittelzentren:

  1. Chancengleichheit zwischen Stadt und Land im Wettbewerb herstellen:
    1. Keine unterschiedlichen Einschränkungen beim Ausweis von Gewerbeflächen zwischen Stadt und Land.
    2. Keine unterschiedliche Förderung der Wohnkosten in Städten (Mietpreisbremse, Mittel für sozialen Wohnungsbau)
  2. Ausbau ÖPNV im ländlichen Raum:
    1. Jedes Dorf sollte im 20-Minuten-Takt zum jeweiligen Mittelzentrum angebunden sein. Und eher mehr Buslinien statt mehr Haltestellen auf einer Buslinie, damit es auch eine echte Alternative zum Auto wird.
    2. Jedes Mittelzentrum sollte im 20-Minuten Takt direkt (ohne Zwischenhalte) an die nächsten Oberzentren (im Fall von Gerolzhofen also an Würzburg, Schweinfurt und Bamberg) angebunden werden und direkt (ohne Zwischenhalte) an den nächsten ICE-Bahnhof (also Kitzingen oder Iphofen).
  3. Finanzielle Umschichtungen
    1. Solidarsysteme so umbauen, dass nicht die armen Kommunen die reichen Großstädte finanzieren:
    2. Die 157 Mittelzentren sollten zur Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge finanziell unterstützt werden. 2017 müssen wir z.B. in Gerolzhofen 3 Mio € neue Schulden aufnehmen und finanzieren davon unsere gesamten freiwilligen Leistungen (Schwimmbad, Bücherei, Museum, Jugendhaus, Vereinsförderung, Bürgerfeste, Kinderbetreuung, Erhaltung Bauwerke, usw.). Um hier auch etwas investieren zu können, wäre eine Summe von 3-4 Mio € pro Jahr notwendig, also für Bayern ca. 450 – 600 Mio € pro Jahr. Bayern tilgt (wohl als einziges Bundesland überhaupt) seine Landesschulden. Die Dimension muss sich wohl im Bereich von 500 – 1500 Mio € pro Jahr bewegen. Plus die eingesparten Zinsen https://www.bayernkurier.de/inland/23630-noch-mehr-schulden-abbauen/
      http://www.bayern.de/politik/initiativen/bayern-2030-schuldenfrei/
      Ich halte das für richtig und wichtig. Aber was bringt es dem Land Bayern, wenn die Landeskasse +- 1000 Mio € Schulden jährlich tilgt, während die Kommunen Schulden aufnehmen müssen, um die Leistungen für die Bürger erbringen können? Würde es nicht reichen, wenn das Land Bayern die Schulden nur halb so schnell tilgt und dafür die Kommunen im Land keine neuen Schulden machen müssen? So ist es nur eine Umverteilung der Kommunen zum Bundesland.
  4. Mehr Kondensationskerne aufs Land
    1. Hochschulen, insbesondere technische Hochschulen, sind hervorragende Keimpunkte für Belebung. Aus der Außenstelle Weihenstephan (früherer Schwerpunkt “Landwirtschaft”) ist heute ein Riesen-Campus mit 5600 Studenten und 1500 Mitarbeitern geworden.

 

Fazit

Der Beitrag soll nicht weinerlich klingen, ich will nur auf die Konsequenzen hinweisen:
Wenn es offizielle Politik bleibt, den Mittelzentren die Mittel wegzuverteilen und die Schuldenbremse für Kommunen kommt, es also von der Landesregierung erzwungen wird, freiwillige Leistungen wie Schwimmbad, Jugendhaus, Museum, Bücherei usw. einzustellen, dann werden wir uns natürlich danach richten.

Wir tun auf kommunaler Ebene alles dafür, für eine seriöse Refinanzierung zu sorgen, aber es ist eben wie beim Länderfinanzausgleich: Leistung lohnt sich nicht immer. Der Länderfinanzausgleich wurde geregelt, mal sehen, ob das Land Bayern auch leistungsstarke Kommunen mit attraktiver Daseinsvorsorge für die Bürger abseits der Großstädte haben will oder die Landflucht weiter befeuert wird – zumal viele Großstädte bereits heute an ihren Kapazitätsgrenzen angekommen sind.

 

Quellen

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Zweite_Stammstrecke_(S-Bahn_M%C3%BCnchen) abgerufen am 07.06.2017
[2] Kommunale Finanzdaten neuster Wert (2014) von https://www.statistik.bayern.de/statistikkommunal/ Bevölkerungswerte von https://www.statistik.bayern.de/statistik/bevoelkerungsstand/ jeweils abgerufen am 07.06.2017
[3] Schulden der Kommunen in NRW: http://www.haushaltssteuerung.de/verschuldung-kommunen-nordrhein-westfalen.html abgerufen am 07.06.2017
[4] Kulturförderung durch den Freistaat in München: http://www.sueddeutsche.de/muenchen/subventionen-fuer-kulturbetriebe-mit-freundlicher-unterstuetzung-1.1855702 abgerufen am 07.06.2017
[5] Verschuldung der Stadt Gerolzhofen (2009-2017): Haushaltsberatung im Stadtrat zum Haushalt 2017 im März 2017 | Werte für Bayern (2010-2014): https://www.statistik.bayern.de/statistikkommunal/09.pdf abgerufen am 07.06.2017

 

Download zugehörige Präsentation

Die Präsentation habe ich im Juni 2016 gehalten zum allgemeineren Thema „Finanzierung von Kommunen“ und daraus diesen Blogbeitrag erarbeitet.

Wer soll das Geomaris finanzieren?

Ich möchte eine Diskussion von Facebook wiedergeben, in der ich am Ende die Problematik der Finanzierung öffentlicher Einrichtungen, insbesondere unseres Geomaris, herausgearbeitet habe:

User1
Mich würde mal interessieren was der Stadtrat sich wieder dabei denkt?
Neue Einnahmequelle? Nachdem das Weinfest gescheitert ist?
Wenn die Freibad Saisonkarten abgeschafft werden, was glaubt ihr wohin die Leute dann ausweichen? Da lohnt sich ja dann eine Silvana (Saisonkarte) oder Baggersee.
Da kommen auf Familien und DauerGäste das doppelte, wenn nicht sogar das dreifache an kosten zu.
User2
Das Schwimmbad ist so oder so mega teuer !
User3
Naja so geht dann gleich keiner mehr rein. Ich bin auch nur rein weil es eine Saison Karte gegeben hat. Weil jedes Mal 4€ Nee
Da geh ich dann doch lieber wo anders hin.
User1
Egal wo man Saisonkarten kauft… Das Geld wird dann nicht in geo bleiben.
Arnulf Koch
Guten Abend User1,

als Stadtratsmitglied eine ernst gemeinte Gegenfrage:

Der Betrieb des Schwimmbades kostet knapp 2 Mio € im Jahr und erlöst über Eintritte, Cafeteria und sonstige Erlöse rund 1,15 Mio. €.
Wer glauben Sie, zahlt diese fehlende Differenz aktuell?
Und wenn Sie darüber zu entscheiden hätten: Wer (und warum diese Gruppe) sollte Ihrer Meinung nach diese Differenz zahlen?
Bzw. wie sollte die Aufteilung dieser Summe zwischen den Nutzern des Schwimmbades sein (über Eintritte und Cafeteria) und den Gerolzhöfern, die das Schwimmbad nicht nutzen (über neue Schulden)?

Bonusfrage: In wenigen Jahren kommt die Schuldenbremse für Kommunen, dann darf die Stadt keine neuen Schulden mehr aufnehmen. 2017 müssen wir voraussichtlich 2,9 Mio € neue Schulden aufnehmen. Und wenn Sie darüber zu entscheiden hätten: Wo und wie würden Sie 2,9 Mio € einsparen?

Ich nehme das gerne als Impuls für meine Stadtratsarbeit.

Viele Grüße,
Arnulf Koch

User1
Herr Koch,
ich bin froh nicht darüber entscheiden zu müssen. Sonst wäre ich in der Politik.
Fakt ist, dass können Sie bestimmt auch aus den ganzen Kommentaren herauslesen. Dass die Schwimmbad Besucher damit nicht einverstanden wären. Wie sich nun der Stadtrat entscheidet, werden wir sehen.
Mir stellt sich nur die Frage, ob dieser Bescheid nicht nach hinten los geht?
Sie wollen mehr Umsatz machen, um die Schulden zu decken. Schön und gut.
Ich glaube aber, das Volk wird das nicht unterstützen.
Liebe Grüße
Arnulf Koch
Hallo User1,

ich entnehme bisher dieser Diskussion folgende Impulse für meine Stadtratsarbeit:

Es ist vielen Diskussionsteilnehmern nicht wert, ein Schwimmbad am Ort zu haben. Der Baggersee als Freibadersatz und das Schwimmbad im nächstgrößeren Ort als Hallenbadersatz tun es genauso.

Interessant, dass Sie das Volk und nicht die Gerolzhöfer Bürger als Maßstab für die Arbeit nehmen. Aber nicht mal Dingolshausen beteiligt sich am Schwimmbad-Unterhalt (profitiert aber davon).
Es sind ausschließlich die Gerolzhöfer Bürger und niemand anderes, die Jahr für Jahr 0,8 Mio € Schulden aufnehmen, damit die Bevölkerung billig ins Geomaris gehen kann.
Ignorieren wir mal, dass wir in spätestens 3 Jahren keine Schulden mehr aufnehmen können und dann das Kartenhaus eh zusammenbricht (wenn die große Politik die Regeln nicht doch noch ändert, aber im Ruhrgebiet, z.B. in Essen, kann man ja sehen, wie schnell auch in Westdeutschland die Infrastruktur kaputt geht, wenn kein Geld mehr da ist).
Gehen wir mal davon aus, dass wir unsere freiwilligen Ausgaben weiter über neue Schulden refinanzieren können.
Auch hier gibt es Schuldenobergrenzen die wir nur aufnehmen dürfen und an diesen Grenzen bewegen wir uns gerade.
Und um dieses Schulden-Geld der Gerolzhöfer Bürger konkurrieren die Gerolzhöfer Bürger ja jetzt schon.
Denn wir können davon entweder das Stadtbild aufhübschen (Pflege von Grünanlagen, Bepflanzung Kreisel, Pflege und Aufbesserung Allee, Verbesserung Kinderspielplätze, Müll von Plätzen entfernen etc.), oder wir können Feste veranstalten (ein Weinfest macht/kostet unterm Strich 30.000 € Verlust, Bamberg hat die Sandkerwa wegen 8.000 € Verlust und Ausblick auf 20.000 € Verlust abgesagt), oder wir können kostenlose Kinderbetreuung anbieten oder wir können Straßen ausbessern.

Die Ausbesserung einer kleinen Straße ist ein schönes Beispiel, da es die Stadt auch rund 800.000 € kostet, genausoviel wie der Betrieb des Schwimmbades: Im Moment ist die Abwägung, dass wir jedes Jahr auf die Ausbesserung einer Straße verzichten (ich glaube, jeder Gerolzhöfer kann aus dem Stand 5 Straßen aufzählen, die eine neue Asphaltschicht nötig hätten) und dafür die Leute für 8 € statt 20 € ins Geomaris lassen (bzw. die Dauerkarte für 360 € statt 1000 €).
Aber dafür verzichten die Gerolzhöfer, die das Geomaris nicht nutzen, auf die Grünpflege der öffentlichen Flächen im Umkreis ihres Hauses und sie verzichten auf die Ausbesserung der Straßen, z.B. holen sie dafür Ihre Kinder von Realschule/Gymnasium über eine Holperpiste ab.
Das ist der Trade-off für die subventionierten Eintritte.

Spannend wird es, wenn wir 2020 keine Schulden mehr machen dürfen. Denn wenn wir jetzt keine Weichen stellen, die Defizite der Einrichtungen zu senken, wird dann die Entscheidung nicht lauten: “Behalten wir Weinfest ODER Geomaris”, sondern wenn so ein Haushaltsjahr wie 2017 wäre, würde die Entscheidung lauten “Wir schließen das Geomaris (800.000 €) UND stellen die Grünpflege ein (100.000 €) UND schließen die Bibliothek (150.000 €) UND machen kein Weinfest (30.000 €) UND werden auf absehbare Zeit in gar keine Straße mehr investieren (800.000 €). Dann hätten wir schon mal 1,9 von 2,9 Mio € eingespart. Die letzte Mio € würde dann aber wirklich schwer, weil man sie über Kleinkram holen muss: Einsparung Vereinsförderung (20.000 €) Einsparung Städtepartnerschaft (5.000 €), Einsparung Jugendhaus (50.000 €)… usw, da dauert es lange, bis man auf 1 Mio € kommt”.

Ich sehe die Argumentation vieler Mitdiskutanten so: “Ist mir doch egal, ob Gerolzhofen in 3 Jahren den Bach runter geht, ich will heute günstige Schwimmbadeintritte.”

Was ich allerdings bemerkenswert finde, dass das Silvana wirklich als Alternative, gerade zur Dauerkarte, gesehen wird.
Es ist 25km entfernt und man muss durch die Stadt durch. Also hin und zurück 50 Minuten und 50 km.
Laut http://www.zukunft-mobilitaet.net/2487/strassenverkehr/die-wahren-kosten-eines-kilometers-autofahrt/ kostet ein km Autofahrt 0,34 €, also kosten 50 km Autofahrt 17 €.

Ich finde interessant, dass die Bevölkerung lieber 3 € Eintritt für ein fremdes Schwimmbad plus 17 € Anfahrt zahlt, anstatt 6-12 € Eintritt in ein eigenes Schwimmbad zahlt, dass sie selbst finanziert haben.
Nach krasser wird die Rechnung bei Nutzung einer Jahreskarte, die sich ja erst bei wöchentlicher Nutzung lohnt: Die Mitdiskutanten verfahren also lieber 52×17€ = 884 € Sprit (plus fremde Eintritte), als für 800 € ins eigene Schwimmbad zu gehen.

Bei solchen emotionalen Entscheidungen der Bürger ist es als Stadtrat schwer, rationale Entscheidungen zu treffen.

Aber ich möchte auch nicht zwischen Bürgern und Stadträten trennen, denn alle Stadträte sind ja Bürger Gerolzhofens, die ehrenamtlich versuchen, die besten Entscheidungen für das Gemeinwohl aller Gerolzhöfer zu treffen.
Am Montag werden die Gebühren beschlossen. Ich möchte nur kurz darlegen, wie wir Stadträte uns damit beschäftigt haben: Wir haben uns zwischen den Fraktionen 3x 3h getroffen, wir haben innerhalb der Fraktion 10h alleine und 3h gemeinsam die verschiedenen Aspekte bewertet und haben uns dann noch mal mit anderen Stadträten knapp 4h getroffen um hier eine gute Linie zu finden. Von mir und den meisten anderen Stadträten sind also je über 25h intensive Arbeit – außerhalb der Stadtratssitzungen, komplett ehrenamtlich, komplett unbezahlt – in das Thema Geomaris-Gebühren geflossen (und mit einem ähnlichen Aufwand bereiten wir den Haushalt vor oder überprüfen die Ausgaben in der Rechnungsprüfung).

Natürlich wissen wir, dass wenn wir die Preise hochschrauben, noch weniger Besucher kommen. Natürlich wissen wir um die sozialen Aspekte und die sind auch alle berücksichtigt. Ich glaube, wir haben einen sehr guten Kompromiss gefunden. Lassen Sie sich am Montag überraschen!

Ich finde es nur etwas schade, dass die Würdigung dieser Arbeit auf “Mich würde mal interessieren was der Stadtrat sich wieder dabei denkt?” reduziert wird.
Ich habe versucht, hier ein paar meiner Gedanken transparent zu machen, und wer sich wirklich dafür interessiert, was der einzelne Stadtrat sich wieder dabei denkt: ich veröffentliche es regelmäßig in meinem Blog unter http://blog.arnulf-koch.de/category/politik/stadtrat/

Viele Grüße,
Arnulf Koch

Bitte nutzt unser Schwimmbad, denn Ihr bezahlt es, egal ob ihr es nutzt oder nicht!

Haushaltsrede 2017

Am 06.03.2017 wurde der Haushalt der Stadt Gerolzhofen für das Jahr 2017 beschlossen. Hier meine Rede für die CSU-Fraktion:

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Wozniak,
sehr geehrter Herr Kämmerer Borchardt,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Haushalt 2017 zwingt uns von außen eine hohe Neuverschuldung auf.
Der Bescheid vom Finanzamt auf Gewerbesteuerrückzahlung in Höhe von rund 2 Millionen war für mich ein Schock. Dachte ich zu dem Zeitpunkt, das steigende Geomaris-Defizit wäre beherrschbar, bedeuten jetzt 2 Millionen Euro Gewerbesteuerrückzahlung “mal eben” 2 Millionen zusätzliche Neuverschuldung.
Somit finanzieren wir 2017 sämtliche freiwillige Leistungen über Neuverschuldung.
2020 kommt die Schuldenbremse für Kommunen, dann ist das nach jetzigem Stand nicht mehr möglich. Viel Zeit ist nicht mehr, die Finanzen solider aufzustellen.

Gerolzhofen hat 20 Jahre lang über seine Verhältnisse gelebt, und jetzt holt es uns ein:
Zuerst wurde es kaschiert durch die Gewinne der Stadtwerke. Doch offenbar haben sie nicht ausgereicht, also wurde dieses Tafelsilber verscherbelt. Der Erlös wurde nicht gesichert, sondern Jahr für Jahr aufgebraucht, bis man irgendwann bei 0 angekommen war.
Dann begann die Zeit der Schulden.
Doch wir haben alles liebgewonnen. Unsere ganzen tollen Einrichtungen. Unser hervorragendes Schwimmbad. Unser kostenloses Weinfest. Jahr für Jahr wird alles etwas teurer. Immer nur ein bisschen. Wie der Frosch, der in einen Topf Wasser gesetzt wird, das langsam erhitzt wird, merken wir nicht deutlich, wann wir zu kochen anfangen.
So steigt 2017 die Verschuldung um 27% und wir schauen gelähmt auf die Folgejahre, in denen alles besser werden soll.
Wenn es nicht besser wird, müssen wir weitere schmerzhafte Entscheidungen treffen. Die Eintrittsgebühren des Weinfests waren ein Vorgeschmack. Noch nie wurde eine Stadtratsentscheidung auf Facebook so stark diskutiert. Auch die Geomaris-Sanierung hat riesiges Engagement hervorgerufen. So viele Unterschriften aus Gerolzhofen gab es noch nie. Nur fehlt dann die Konsequenz: Wenn alle ein Schwimmbad fordern und es dann offenkundig nicht in dem Umfang wie früher nutzen, haben wir ein Problem, wenn die Stadt quasi ihren gesamten Handlungsspielraum ins Geomaris steckt.

Gerolzhofen hat eine Finanzkraft von rund 420 € pro Einwohner, also die zur Verfügung stehenden Steuereinnahmen und Schlüsselzuweisungen nach Abzug aller Umlagen. Davon geben wir 830.000 € = 119 € pro Einwohner = 28% unserer Finanzkraft alleine für unser Schwimmbad aus.
Den Prozentsatz müssen wir verringern. Entweder im Zähler – also das Defizit verringern – und/oder im Nenner – also unsere Finanzkraft stärken.
An beiden werden wir arbeiten. Über Geomaris-Eintritte entscheiden wir die nächsten Wochen und für Einnahmesteigerungen können wir am variablen Anteil der Steuern, nämlich der Gewerbesteuer arbeiten.

Gewerbesteuereinnahmen

Ist der Haushalt unser Zeugnis, müssen wir nicht nur da ansetzen, eine Note 5 – z.B. das Geomaris-Haushaltsdefizit – zur Note 3 zu verbessern, sondern auch da hinein investieren, eine Note 3 – z.B. die Gewerbesteuereinnahmen – in Richtung Note 1 zu pushen. Also unsere Stärken stärken.

Wir haben Einfluss auf unsere Gewerbesteuereinnahmen. Wir können mehr Gewerbeflächen ausweisen. Wir können unsere Gewerbeflächen aktiv bewerben. Wir können daran arbeiten, neue Unternehmen in Gerolzhofen anzusiedeln und die bestehenden Unternehmen zu stärken.
Und je mehr Unternehmen wir in Gerolzhofen haben, um so weniger anfällig werden wir für Schwankungen und einzelne Gewerbesteuerrückerstattungen.
Hier sehe ich für meine Stadtratsarbeit den Hauptansatzpunkt. Daher auch mein starkes Engagement im Wirtschaftsarbeitskreis.

Positive Dynamik

Wo ist die Hoffnung?
In unserer Stadt ist viel Dynamik. Überall ist Aktivität. Überall wird gebaut.
Im Osten entstehen im Wohngebiet TV-Platz nach Jahrzehnten Verhandlungen die ersten Häuser.
Im Süden hat dieser Stadtrat sein erstes selbstgeplantes Wohnbaugebiet realisiert, und auch hier entstehen die ersten Häuser.
Im Norden haben wir unsere Gewerbegebiete, und hier entstehen ebenfalls neue Gebäude. Im Gewerbegebiet “An der Mönchstockheimer Straße” haben wir große Flächen erschlossen und können in die Vermarktung starten. Und davor eine topmoderne Supermarktanlage, die nicht nur die Nahversorgung Rüghofens verbessert, sondern viele Fahrten der Gerolzhöfer nach Schweinfurt und Volkach obsolet machen wird und gleichzeitig Kaufkraft aus dem Umland, insbesondere dem Steigerwald, nach Gerolzhofen zieht.
Auch im Gewerbegebiet “An der Alitzheimer Straße” wurden weitere Grundstücke gekauft, auch hier wird es Dynamik durch neue Ansiedlungen und neue Arbeitsplätze in Gerolzhofen geben.
Das muss unser Rezept zur Stärkung unserer Finanzen und unserer Stellung als Wirtschaftsstandort sein. Es ist absehbar, dass die Einpendler auch in den Folgejahren steigen werden, und wir werden nach und nach Einpendler zu Bürgern machen.
Und den Bürgern liefern wir auch immer mehr. Im Süden hat sich ein Ärzte- und Gesundheitszentrum etabliert. Schließen im ländlichen Raum immer mehr Arztpraxen, ist die medizinische Versorgung in Gerolzhofen sichergestellt.

Dank

Zum Ende meiner Rede möchte ich mich bei den Mitarbeitern der Stadt und Verwaltungsgemeinschaft für ihre gute und engagierte Arbeit danken. René Borchardt leistet wie immer top Arbeit als Kämmerer, jongliert mit den Zahlen und Haushaltspositionen und genießt unser volles Vertrauen.
Von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möchte ich dieses Jahr Georgine Bachmann besonders hervorheben, unsere Leiterin der Volkshochschule. Seit Jahren unterschreitet sie stets die Ansätze der VHS, und auch die von Ihr bestens betreuten Kulturtage fallen im Haushalt nicht auf. Sie leistet hervorragende Arbeit, und ich möchte mich bei Ihr stellvertretend bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für ihren Einsatz und ihr Engagement bedanken.

Fazit

Wir – die CSU Stadtratsfraktion – sehen der Dynamik und den Chancen unserer wachsenden Stadt weiterhin so positiv entgegen, dass wir voll hinter dem Haushalt stehen können.

Dem Haushalt 2017 stimmt die CSU Fraktion zu.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Arnulf Koch
CSU Fraktionsvorsitzender

Antrag auf Bereitstellung von Haushaltsmitteln für sep. Kontostelle Wirtschaftsförderung

Wortlaut des Antrages:

Der Stadtrat möge jeweils einzeln beschließen:
1.) Im Verwaltungshaushalt wird ein neuer Hauptabschnitt “Wirtschaftsförderung” angelegt, zusätzlich zum Bereich “sonstige Wirtschaftsförderung”.

2.) Im Verwaltungshaushalt werden im Bereich “Wirtschaftsförderung” folgende neue Haushaltspositionen anlegt:

  1. Bezeichnung: “Präsentationsmaterial Wirtschaftstandort”
    Mögliche Maßnahmen: Imagebroschüre, Imagefilm, Homepage, Vernetzung/Unternehmensforum
    Budget: 2017: 30.000 € + Folgejahre: 20.000 €
  2. Bezeichnung “Marketing Wirtschaftsstandort”
    Mögliche Maßnahmen: Werbeaktionen für Wirtschaftsstandort, Agenturauftrag zur aktiven Umsetzung der Standortbewerbung
    Budget: 2017: 30.000 € + Folgejahre: 60.000 €

3.) Die Stadt überprüft, ob eine Förderung einer Präsentation des Wirtschaftsstandorts Gerolzhofen durch Fördertöpfe (z.B. Bezirk, Land, EU, etc.) möglich ist, ggfs. auch unter anderen Namen wie z.B. “Vernetzung von Unternehmen”. Sofern es geeignete Förderprogramme gibt, stellt die Verwaltung entsprechende Förderanträge.

 

Begründung:

Der Bereich Wirtschaftsförderung kommt in Gerolzhofen zu kurz.

Die zwei großen Steuereinnahmen der Stadt sind die Einkommensteuerumlage sowie die Gewerbesteuer (plus Gemeindeanteil Umsatzsteuer), die sich mit jeweils rund 2,5 – 3,5 Mio € Einnahmen ungefähr die Waage halten.

Unsere freiwilligen Leistungen der Stadt im Bereich der Bürgerförderung sind vielfältig.

Umgekehrt sind die freiwilligen Leistungen im Bereich der Wirtschaftsförderung im Haushalt nur schwer zu finden. Lediglich im Gliederungstext “Sonstige Wirtschaftsförderung” “7911” finden sich Maßnahmen wie Giebelbeleuchtung, Weihnachtsaktionen, Adventsmarkt oder LAG.

Dies sind durchaus sinnvolle Maßnahmen zur Unterstützung des Einzelhandels in der Innenstadt.

Viele Arbeitsplätze und ein Großteil des Gewerbesteueraufkommens wird von den Handwerks-, Industrie-, Handels- und Gewerbebetrieben in den Gewerbegebieten erwirtschaftet.

Hier muss es Ziel der Stadt sein, unsere vorhandenen Unternehmen zu unterstützen und gezielt weitere mittelständisch geprägte Unternehmen neu in Gerolzhofen anzusiedeln. Diese Maßnahmen sollen in der neuen Haushaltsstelle abgebildet werden.

In den bisherigen Sitzungen des Wirtschaftsarbeitskreises haben wir festgestellt, dass es von Gerolzhofen überhaupt kein Präsentationsmaterial (print, online) mit dem Schwerpunkt der Unternehmensvernetzung und Unternehmensansiedlung gibt, während es das von den meisten anderen Stadteinrichtungen gibt. Hier muss zuerst Basisarbeit geleistet werden, auf die wir in den kommenden Jahren aufbauen können.

„Zerrieben zwischen H&M und Zalando“

Ich möchte hier den Handelblatt-Artikel „Modehandel in der Krise – Zerrieben zwischen H&M und Zalando“ empfehlen. Er bezieht sich auf die Wöhrl-Insolvenz, aber zeigt das Problem von klassischen „nicht-hippen“ Modehändlern auf. Das kann man im Kleinen auch auf unsere Gerolzhöfer Innenstadt übertragen: Es wird von Jahr zu Jahr schwieriger für die Händler.
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/modehandel-in-der-krise-zerrieben-zwischen-hundm-und-zalando/14517578-all.html

Online-Umsätze

In dem Artikel sind auch die Online-Umsätze der Top-Mode-Onlineshops aufgelistet:

 Zalando             872,4 Mio €
 Bonprix             419,5 Mio €
 H&M                 326,8 Mio €
 Heine               204,0 Mio €
 Esprit              162,5 Mio €
 Brand-4-Friends     116,6 Mio €
 s.Oliver            110,8 Mio €
 C&A                  79,3 Mio €
 Walbusch             72,2 Mio €
 Zalando Lounge       71,8 Mio €

BTW: Die Zahlen sollen angeblich von 2014 sein. Da wird Zalando mit 872 Mio € angegeben. Bei Börseninfos finde ich aber für Zalando 2014 einen Umsatz von 2200 Mio € und 2015 schon 2958 Mio € und jetzt 2016 wurden im 2. Quartal alleine 916 Mio € Umsatz gemacht.
Wenn man das grob mal 4 nimmt, könnte man einen 2016er-Zalando-Umsatz von >3500 Mio € erwarten.
Und dann sind da „Mischwarenläden“ wie Amazon, Otto, eBay, Ladenzeile, etc. auch nicht berücksichtigt.

Der Online-Umsatz dürfte also erheblich höher sein und hat gigantische Wachstumsraten.

Und wie jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann, fehlt dieser Online-Umsatz anderen Händlern (und ganz nebenbei wird mit den Hersteller-Onlineshop der Hersteller immer mehr zum Konkurrenten seiner eigenen Händler).

Kann man online bekämpfen?

Ob wir Aktionen wie „Lass den Klick in Deiner Stadt“ machen oder nicht: Das verzögert vielleicht das Online-Wachstum, aber es hält ihn nicht auf.

Wenn ich die nächste Generation anschaue, für die ist es normal, alles online zu kaufen und die Abwägung lautet: „Laufe ich jetzt noch zum Supermarkt und kaufe mir da meine Suppe, oder lasse ich sie mir von Amazon schicken und ich habe sie erst morgen“.

Und um die Entscheidung zu erleichtern bietet Amazon nach Same-Day-Delivery jetzt auch schon kostenlos 2h-Delivery und gegen 6,99 € Aufpreis 1h-Delivery an – natürlich nur in Ballungszentren, wo das auch rentabel machbar ist:
http://www.supermarktblog.com/2016/05/11/prime-now-in-berlin-amazons-kampfansage-an-rewe-bringmeister-und-real/

Bedeutung für die Innenstadtentwicklung

Das macht es für mich als Stadtrat schwierig, die richtigen Rahmenbedingungen für die Innenstadt zu schaffen: Wir versuchen alles, eine gute Infrastruktur für Händler zu schaffen, die Basis für eine lebenswerte Innenstadt sind. Aber wenn man sich das große Ganze anschaut, wird der stationäre Handel sowohl vom Internet als auch von den „hippen Marken“ (jetzt gibt es schon einen TK Maxx in Schweinfurt) angeknabbert und wird Jahr für Jahr Handels-Umsatz verlieren.

Verschiebung zu Service und Dienstleitung

Ich denke, die Zukunft werden Mischformen sein und wir müssen das langfristig bei der Stadtentwicklung berücksichtigen (Stichwort Verkehrskonzept, Stichwort Spitalstraße, Stichwort Marktplatzgestaltung).
„Schönes und Süßes ist so ein Beispiel: Es sind keine Produkte der Grundversorgung, sondern der Freizeitcharakter und Aufenthaltsqualität steht mehr im Vordergrund und die damit verbundenen geringeren Umsätze werden versucht durch „Außenrum“-Sachen zu kompensieren, dass es den Kaffee eben nicht wie im Modehaus umsonst gibt sondern Kaffee & Kuchen ein finanzielles Standbein des Geschäftes ist.

Denn reiner stationärer Handel wird ohne mitverkaufte Dienstleistungen oder ohne Refinanzierung der Aufenthaltsqualität wird immer schwieriger.  Z.B. in meiner IT-Branche haben wir früher Computer verkauft (mein Vorgängergeschäft vor 2000 hieß „Arnulf Koch Computer“ und die Dienstleistung war damals kostenloser Service (Installation, Inbetriebnahme). Schon früh haben die Discounter das Geschäft abgegraben. Nicht nur bei B2C mit Aldi und Mediamarkt, auch im B2B-Geschäft hat z.B. Dell seit 1998 angefangen, den Handel zu umgehen.

BTW: Im Handelsblatt-Titel wird H&M als Hauptkonkurrent genannt. Ich glaube, dass gerade Primark und TK Maxx noch mehr den Zeitgeist treffen:
https://krautreporter.de/416–was-weg-ist-ist-weg

Zukunft der Mobilität

Ich finde interessant, dass die Antragsgegner den Blick in die Zukunft nur für sich in Anspruch nehmen und ihn der Gegenseite absprechen.

Ob Ihr es glaubt oder nicht: Bei meiner Abstimmung hatte ich nur die Zukunft im Blick.

In meiner Ausführung unter
http://blog.arnulf-koch.de/zukunft-der-bahnstrecke-in-gerolzhofen/ hatte ich in der Einleitung geschrieben:
“auch beim Verkehr mit der Zeit gehen? Also Elektromobilität, Car-Sharing, Neue Mobilitätskonzepte als Mix aus selbstfahrenden Autos und moderner Vermittlung á la Uber.”
Offenbar ist da noch nicht jeder gedanklich dabei, daher hier ein paar Ausführungen dazu:

Wenn ich schaue, wie viel Geld unsere K&K-Software-Kunden schon mit der Entwicklung von Elektroautos verdienen, die dann in einigen Jahren auf den Markt kommen. Wenn ich schaue, dass mein kleines Gerolzhöfer Softwareunternehmen Geld mit Dienstleistungen rund um die Entwicklung von Elektromobilität verdient (als Dienstleister für Firmen,die Elektroantriebsstränge entwickeln), wenn man sich anschaut, dass ein Tesla mal eben per Softwareupdate autonomes Fahren bekommen hat und YouTube mit Videos geflutet wird, wie das Auto selbstständig aus der Garage rausfährt oder Fahrer auf der Autobahn mal eben auf den Rücksitz klettern um zu zeigen, dass das Auto wirklich autonom fährt (was bei dem aktuellen Reifegrad eher lebensmüde ist und ich glaube wieder mit einem Softwareupdate kassiert wurde).

Dann frage ich mich schon: Bekommen andere diese Entwicklung nicht mit? Haben andere im Ausland noch nie Uber ausprobiert? Erkennen andere die kommenden Umwälzungen und Geschäftsmodelle dahinter nicht?

Selbst der BR berichtet doch darüber: http://www.br.de/nachrichten/autoindustrie-elektromobilitaet-100.html

Anbieter von ÖPNV sehen da viel mehr. Z.B. die Studie vom „Verband Deutscher Verkehrsunternehmen“ beschreibt wie diese Geschäftsmodelle Teile des ÖPNV obsolet machen werden: https://www.vdv.de/position-autonome-fahrzeuge.pdfx

„Existenzbedrohung für den ÖV, denn das autonome Fahrzeug macht das Autofahren wesentlich attraktiver“

„Teil des ÖV, denn das autonome Fahrzeug kann als Teil einer Flotte von Roboter-MinibusTaxis eine historische Chance sein: Eine ideale Ergänzung zu einem Hochleistungs-ÖPNV. Ein perfektes CarSharing-Auto, das auf Zuruf zum Fahrgast kommt und ihn am Ziel absetzt. Oder ein Mini-Bus, mit dem auch schwach ausgelastete Buslinien fahrerlos im dichten Takt bedient werden können.“

Aber die gesamte Analyse ist lesenswert (und es gibt sogar eine Kurzfassung), daher bitte durchlesen: https://www.vdv.de/position-autonome-fahrzeuge.pdfx

Ich habe mich mit allen Argumenten der Bahnbefürworter auseinander gesetzt, aber eben auch außerhalb deren Filterblase recherchiert. Ich habe das Gefühl, das fehlt der anderen Seite, wenn sie kein Verständnis für meine Argumente aufbringen kann.

Ich muss mir von Bahnfreunden vorwerfen lassen, dass mein „Blick auf die Zukunft fehlt“ (MainPost-Kommentar), „fehlte Sachkenntnis“ (Geo-net Newsletter), „nicht gerade zum Wohl der Stadt“ (Facebook), „absolute Ahnungslosigkeit“ (Blogkommentator).

Glaubt Ihr, ich nehme meine Stadtratsarbeit nicht ernst? Glaubt Ihr, ich beschäftige mich nicht mit Zukunftstechnologien und den Auswirkungen auf die Gesellschaft? Meine Branche entwickelt die Zukunft.

Ich liebe den Spruch „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“.
Man kann es unterschiedlich einschätzen und ich akzeptiere voll, dass einige die Technologie des 19. Jahrhunderts als Zukunft sehen. Bei der Mode ist alle 20 Jahre das gleiche modern, kann ja auch beim ÖPNV so sein.

Ich persönlich glaube, dass die aktuelle digitale Revolution als nächstes den Markt der Mobilität umkrempeln wird: Elektromobilität á la Tesla plus autonomes Fahren á la Google/Tesla/Audi plus intelligente Vernetzung á la Uber/Google/Apple/Microsoft werden wir in weniger als 20 Jahren erleben und nutzen.

Denn die Unternehmen können es. Die haben mehr Cash, als alle deutschen Automobilhersteller Börsenwert zusammen. Apple hat 216 Mrd. USD Cashreservern (192 Mrd. €), Google hat 73 Mrd. USD Cash. Der VW-Konzern hat einen Wert 61 Mrd €, Daimler 58 Mrd € und BMW 43 Mrd. €. Alleine Apple könnte alle deutschen Autohersteller aus der Portokasse kaufen und würde es nicht mal merken, da sie danach immer noch 30 Mrd. € Cash rumliegen hätten.

Warum ist die Taxiruf-App Uber (u.a. ein Großinvestor: Microsoft) mit 51 Mrd. USD höher bewertet als der BMW-Konzern (und höher als alle Eisenbahngesellschaften)?
Sobald die funktionierende selbstfahrenden Autos haben, funktioniert die komplette Mobilität rund um die Uhr vollautomatisch.

Das ist meine Vision.

Oder wie es der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen formuliert: “Deshalb gilt es, der Politik und insbesondere den kommunalen Eigentümern, einerseits die verkehrspolitischen Folgen (noch mehr Autoverkehr) und andererseits die existentiellen Risiken zu vermitteln, die darin bestehen, wenn das öffentliche Verkehrsunternehmen nur noch auf Restverkehre verwiesen wird.

Die Profis gehen also davon, dass der ÖPNV nur noch Restverkehre abwickeln wird. Und je weniger geballt die Räume sind, desto besser kann autonomes Fahren seine Folgen ausspielen.
Die Folgerung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen ist auch richtig: diese Anbieter müssen versuchen, dass sie dann die Flotte der selbstfahrenden Elektroautos betreiben und nicht die Konzerne aus dem Silicon Valley.
Das müssen wir unterstützen (Deutsche Hersteller und deutsche Betreiber von autonomen Elektro-Flotten) und nicht die Augen verschließen und uns eine unflexible Bahn zurückwünschen.

PS:
Das ist nur mein Statement, ich hätte die Zukunft nicht im Blick.
Mein Artikel mit der Abwägung Pro- und Contra Bahnstrecke in Gerolzhofen ist hier: http://blog.arnulf-koch.de/zukunft-der-bahnstrecke-in-gerolzhofen/

Hier noch ein paar Links:

„Autonome KFZ: Boom selbstfahrender Elektroautos durch Carsharing“
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Autonome-KFZ-Boom-selbstfahrender-Elektroautos-durch-Carsharing-3074672.html

„Selbstfahrende Autos:
Google, Uber, Ford und Volvo gründen Lobby-Gruppe“
http://www.automobilwoche.de/article/20160427/NACHRICHTEN/160429953/selbstfahrende-autos-google,-uber,-ford-und-volvo-grunden-lobby-gruppe

„Autonomes Fahren – Ein Bus ohne Fahrer“
http://www.fr-online.de/wissenschaft/autonomes-fahren-ein-bus-ohne-fahrer,1472788,34207546.html

„Verkehrsminister Dobrindt im Interview
In zehn Jahren werden Autos autonom und vernetzt fahren“
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/verkehrsminister-dobrindt-im-interview-in-zehn-jahren-werden-autos-autonom-und-vernetzt-fahren-1.2974583

„Google, Tesla, Apple
Die Auto-Attacke aus dem Silicon Valley“
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/neue-mobilitaet/die-silicon-valley-autos-von-google-tesla-und-apple-13428695.html

„Tesla, Google und sogar Apple wollen selbstfahrende Autos. Hier ist die beste Geschäftsmodell dafür“
https://www.fool.de/2015/07/22/tesla-google-und-sogar-apple-wollen-selbstfahrende-autos-hier-ist-die-beste-geschaftsmodell-dafur/

„Angriff auf Uber: Google gründet 2016 Firma für selbstfahrende Autos“
http://www.businessinsider.de/google-greift-uber-an-eigene-firma-fuer-selbstfahrende-autos-2015-12

Auch ein interessante Gedanke: Alle Google-Dienste werden ja kostenlos angeboten, da sie über Werbung refinanziert werden. Google verdient über Werbung viel mehr Geld als über Nutzungsgebühren. Google kauft ja ein kommerzielles Produkt nach dem anderen auf (auch für Milliarden) und stellt es dann kostenlos zur Verfügung, um zusätzliche Werbefläche zu haben.
Dazu dieser Artikel, der das als Motivation für Googles Einstieg in selbstfahrende Autos sieht:
„Autonome Autos: Wie Google, Uber, Tesla & Co die Werbeindustrie verändern“
http://www.it-times.de/news/autonome-autos-wie-google-uber-tesla-co-die-werbeindustrie-verandern-117770/

Zukunft der Bahnstrecke in Gerolzhofen

Die SPD hat mit dem Antrag, die Bahnstrecke entwidmen zu lassen, ein grundsätzliches Thema eröffnet, das wieder (nach Fachmarktzentrum und Kälberstall) sehr emotional diskutiert wird.

Vielleicht ein Tick zu emotional. Daher möchte ich wieder wie beim Artikel zum Fachmarktzentrum Argumente pro und contra Bahnstrecke sammeln, um eine möglichst gut fachlich fundierte Abstimmung vornehmen zu können.

Erste Bemerkung vorab:

Ich akzeptiere, dass die Bahn-Befürworter viele sachlich gut nachvollziehbare Argumente pro Bahn sammeln. Ich würde mich freuen, wenn die Bahn-Befürworter das gleiche von mir akzeptieren würden, dass auch meine Kontra-Argumente stichhaltig sind und auch wir – dem Thema Bahn unvoreingenommen gegenüberstehenden – Stadträte uns intensiv Gedanken machen und die vielen guten Pro- und Kontra-Argumente intensiv abwägen. Niemand entscheidet aus dem Bauch heraus oder von oben gelenkt oder sonst wie irrational. Gäbe es nur Pro-Argumente wie bei einem Wohn-Bauantrag, der sich an alle Vorgaben des Bebauungsplans hält, würde es auch einstimmig entschieden werden.

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Zweite Bemerkung vorab:
Ich fahre in großen Städten (zuletzt in Frankfurt, München, Hamburg, London) gerne im öffentlichen Schienen-Nahverkehr. Wenn ein dichtes Netz und ein enge Taktung gegeben ist, gibt es nichts besseres. In London fährt die Tube in Stoßzeiten im 90-Sekunden Takt. Man hat gerade die U-Bahn verpasst? Na gut, nimmt man halt die nächste in anderthalb Minuten.

Dritte Bemerkung vorab:
Man darf die Diskussion nicht vermischen: Hätten wir einen funktionierenden Schienennahverkehr, niemand würde ihn reduzieren wollen. Auch will ich nicht die Bahn in Frage stellen. Primär geht es um den Status Quo in Gerolzhofen: Eine verwilderte Strecke mitten durch die Stadt, mit gigantischem Investitionsstau, neben unseren neuem Baugebiet und ein Fremdkörper in der Stadt. Infrastrukturgebäude (Bahnhof, Lagerhalle) sind verkauft oder werden gerade abgerissen. Das ist unsere Ausgangslage: Kämpft man für die Wiederbelebung der Bahn unter diesen schwierigen Voraussetzungen oder kann man das Quartier zukunftsfähig entwickeln und auch beim Verkehr mit der Zeit gehen? Also Elektromobilität, Car-Sharing, Neue Mobilitätskonzepte als Mix aus selbstfahrenden Autos und moderner Vermittlung á la Uber.

 

Welche Aspekte gibt es bei der Thematik?

Bitte sendet mir weitere Pro- und Kontra-Argumente per E-Mail an koch@kk-software.de oder unten in die Kommentare, dann ergänze ich den Artikel.

 

1. Mobilität: Von A nach B kommen

  1. Pro: Man kommt mit der Bahn schneller von A nach B als mit dem Bus.
  2. Contra: Aber wirklich nur von A nach B. Da C, D, E, F, G, H und fast alle anderen Ortschaften im Altlandkreis Gerolzhofen (für die wir nach wie vor das wirtschaftliche, schulische und kulturelle Mittelzentrum sind) nicht an die Schiene angebunden sind.
  3. Contra: Volkach ist mit einer intakten Schiene an Würzburg angebunden.
    Sehr viele Volkacher arbeiten in Würzburg (Volkach hat Auspendler, Gerolzhofen Einpendler), Volkach ist 20% größer als Gerolzhofen, es gibt mit der ehrenamtlichen Mainschleifenbahn eine starke Schienenlobby.  Wenn das Geld zum Betrieb von Regionalbahnen angeblich bereitsteht, warum gibt bei den guten Volkacher Voraussetzungen es keinen Schienennahverkehr in Volkach?
    Welche Voraussetzungen sollen in Gerolzhofen besser sein mit weniger Pendlern, weniger Einwohnern, weniger vorhandener Schieneninfrastruktur, dass Geld zuerst nach Gerolzhofen fließt und nicht zu anderen Städten?
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2. Entlastung der Straßen

  1. Pro: Jeder Zug entlastet die Straßen. Ein Personenzug vielleicht um 1-2 Busse, ein Güterzug vielleicht um 1-10 LKW
  2. Contra: Die Straßen werden nachweislich genutzt.
    Die Schiene wird nachweislich nicht genutzt.
    Die Schiene wurde nachweislich nicht genutzt, auch als es noch technisch möglich war.
    In welches System soll man investieren und ausbauen? In ein aktiv genutztes oder ein ungenutztes System?

 

3. Umweltverträglichkeit

  1. Differenziert: Ist ein Zug wirklich effizienter als ein Bus?
    Busse (ca. 12 Tonnen Leergewicht) können problemlos in verschiedenen Größen je nach Bedarf vorgehalten werden. Vom 50-Sitzer mit rund 40 Liter Verbrauch auf 100 km über mittelgroße Busse mit 30 Liter Verbrauch bis hin zu Sprintern mit 10 Liter Verbrauch oder Linientaxis mit 6 Liter Verbrauch.
    Ein Zug muss immer 63 Tonnen Leergewicht bewegen (>5x Bus) und verbraucht so mind. 70 Liter Diesel pro 100 km. Erst ab ca. 80 Fahrgästen ist ein Nahverkehrszug umweltfreundlicher als ein Bus. Ein Zug mit nur 8 Fahrgästen ist eine umwelttechnische Katastrophe.
    Ich denke, mann kann folgern:

    • Eine voller Personenzug ist effizienter als ein voller Bus
    • Ein halbvoller Personenzug ist ineffizienter als ein halbvoller Bus
  2. Contra: Gerolzhofen-Schweinfurt wird erst mal lange Zeit eine Stichstrecke bleiben. Zu den Randzeiten von Schulen und Betrieben könnte eine Auslastung in eine Richtung gegeben sein, dazwischen wird viel Stahl mit wenig Nutzlast bewegt.

 

4. Entwicklung von Gerolzhofen

  1. Pro: Ein Bahnanschluss macht Gerolzhofen attraktiver. Eine Einbindung in das Bayerticket würde insbesondere Freizeitreisen von und nach Gerolzhofen vereinfachen.
  2. Contra: Die Bahnlinie zerschneidet Gerolzhofen im Westen wie die B286 es im Osten tut. Wären beide Strecken jeweils 1-2 km weiter außen, hätte Gerolzhofen erheblich mehr Entwicklungspotential. Das Bahngründstück hat innerhalb der Gerolzhöfer Bebauung zwischen Weißer Marter und dem neuen Nützelbachbaugebiet ca. 43.000 m² Fläche. Wir könnten Gerolzhofen wieder in der Mitte mit Neubaugebieten weiterentwickeln und müssten es nicht an den Stadträndern tun (Flächenverbrauch und Flächenversiegelung, hohe Erschließungskosten, schwierige Verkehrsanbindung, Konflikte mit Anwohnern, die an der aktuellen Randlage eine unverbaute Sicht haben). Eine Entwicklung des Bahngeländes mit Wohnbebauung – gerade mit dem dann neuen Edeka- und Nettomarkt nebenan – wäre die perfekte Lösung für die Entwicklung Gerolzhofens der nächsten 15 Jahre.
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5. Nutzen für Gerolzhofen

  1. Contra: Güterverkehr
    Im ersten Schritt soll nur ein Nutzer in Kitzingen von der Strecke profitieren. Kitzingen ist am Fernbahnnetz angeschlossen und hatte mal eine Eisenbahnbrücke über den Main. Die Stadt Kitzingen sollte das Kitzinger Gewerbegebiet an die Kitzinger Bahnlinie anschließen. Eine kleine Eisenbahnbrücke parallel zur Nordtangente reicht. Warum muss sich Gerolzhofen Gedanken drüber machen, wie die Verkehrserschließung von Kitzinger Gewerbegebieten erfolgt? Und warum sollen die Güterzüger 1600 Meter durch Gerolzhöfer Wohngebiete fahren, wenn den Kitzingern exakt 780 Meter zwischen den beiden Bahnstrecken fehlen und die Streckenführung dort durch Industriegebiete führt.
  2. Contra: Belästigungen durch Bahnfahrten
    Alt-Gerolzhöfer, die an der Bahnschiene wohnten, erzählen von erheblichen Erschütterungen, wenn die Züge vorbeiführen. Als Gerolzhöfer Stadtrat sehe ich bei der Eröffnung der Strecke für Güterverkehr keinen Vorteil für die Gerolzhöfer Bürger.
  3. Pro: Personenverkehr
    Der zweite Schritt soll Personennahverkehr zwischen Gerolzhofen und Schweinfurt sein. Unbestritten gibt es diesen Bedarf und mit einer aktiven Personen-Bahnverbindung Gerolzhofen-Schweinfurt wäre Gerolzhofen attraktiver als ohne eine Bahnverbindung. Ein Kappen der Verbindung am alten Bahnhof würde die Belastung in Grenzen halten, nur die stark befahrende Frankenwinheimer Straße – deren Verkehr mit der Eröffnung der Supermärkte weiter zunehmen wird – würde von einer Schrankenanlage unangemessen stark eingeschränkt werden.
  4. Differenziert: Personenverkehr
    Aber noch viel mehr Pendler gibt es zwischen Volkach und Würzburg. Warum gibt es da keine Regionalbahn? Die Strecke Gerolzhofen-Schweinfurt war lange betriebsbereit? Warum gab es da keine Regionalbahn? Welche Rahmenbedingungen haben sich in der Zwischenzeit verändert, dass jetzt das Geld sprudeln sollte?
  5. Contra: Bus- und Transportunternehmen in Gerolzhofen
    Wir haben in Gerolzhofen erfolgreiche Bus und Transportunternehmen, die überregional bedeutsame Größe haben, in Gerolzhofen Arbeitsplätze schaffen und in Gerolzhofen Gewerbesteuer zahlen. Auf der anderen Seite stehen Interessen von Konzernen und Investoren, die keinen Bezug zu Gerolzhofen haben. Ein Fokus meiner Arbeit liegt in der Stärkung der Gerolzhöfer Finanzen und ganz besonders in der Stärkung der Gerolzhöfer Unternehmen. Wäre Schaeffler mit ihrem Logistik-Zentrum nach Gerolzhofen gekommen und so zu einem Gerolzhöfer Unternehmen geworden, würde ich für deren Gleisanschluss kämpfen. Jetzt sollen ihn die Kitzinger bauen, wie gesagt, sie haben nur 780 Meter Lücke.
  6. Differenziert: Richtung des Transportbedarfs
    Gerolzhofen hat ein positives Pendlersaldo von über 500 Menschen. Wir brauchen also einen guten Nahverkehr. Eine Umfrage in meinem und anderen Unternehmen hat aber gezeigt, dass viele Gerolzhöfer Arbeitnehmen neben Gerolzhofen aus dem Altlandkreis und dem Steigerwald kommen. Hier leistet eine Bahnanbindung keinerlei Vorteile. In meinem Betrieb beispielsweise kommen 40% der Arbeitnehmer aus Gerolzhofen, 7% aus Schweinfurt (die vom Bahnanschluss profitieren würden) und 53% aus Gemeinden ohne Bahnanschluss. Hauptziel der Stadtentwicklung muss es sein, Einpendler zu Bürgern zu machen.
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6. Idee Haltestelle Dreimühlenstraße

  1. Differenziert: Schüler, die nach Gerolzhofen kommen
    Nur Schüler aus Alitzheim und Sulzheim der 5. – 10. Klassen kommen nach Gerolzhofen. Ab Grettstadt orientieren sie sich wenn möglich nach Schweinfurt. Nur wenn die Schulen in SW keine weiteren Schüler aufnehmen, kommen auch Schüler aus Grettstadt oder Gochsheim nach Gerolzhofen. Mit geburtenschwachen Jahrgängen sind kaum noch Schüler aus dieser Richtung zu erwarten.
    Und dann bleibt wieder das Problem „von A nach B“: Die Schüler im Gymnasium kommen von Wustviel, Geusfeld, Michelau, Dingolshausen, Donnerdorf, Oberschwarzach etc.  – alle NICHT an der Schiene.
    Mittelschule ähnlich, zum Beispiel: Großgemeinde Kolitzheim
  2. Contra: Schüler, die nach Schweinfurt fahren
    Aktuell kann ein Schüler aus Gerolzhofen in den Bus einsteigen und zum Beispiel am Beruflichen Schulzentrum in SW aussteigen. Künftig würde er am Hauptbahnhof in SW umsteigen? Das ist kein Zeitgewinn und man braucht trotzdem für Teilstrecken einen Bus.
  3. Differenziert: Angestellte, die nach Gerolzhofen pendeln
    Nur Angestellteaus dem Gewerbegebiet Alitzheimer Straße könnten von einer Haltestelle an der Dreimühlenstraße profitieren. Die anderen sind fußläufig zu weit entfernt. Haben die großen Betriebe (St. Gobain, Döpfner, Ludwar, Hiestand) jeweils die gleichen Schichtanfangszeiten?
  4. Differenziert: Angestellte, die in Richtung Schweinfurt pendeln
    Die Angestellten nutzen doch jetzt auch nicht den Personennahverkehr mit Bussen, obwohl Busse eine engere Taktung fahren (bei der Bahn ist stündlich im Gespräch, der Bus fährt früh zwischen 5:40 Uhr und 8:40 Uhr bis zu 9x ab Gerolzhofen ab, bei der Bahn wäre das maximal 4x in dem Zeitraum) und flexible Haltestellen in der Stadt anfahren. Was sollte einen Angestellten dazu bewegen den Zug zu nehmen, wo er sich zeitlich und örtlich sogar mehr einschränkt als mit dem Bus?

 

7. Vergleich mit Alternativen

  1. Differenziert: Mobilität und ÖPNV ist essenziell für den ländlichen Raum. Die Bahn ist nur ein Bestandteil eines Mobilitäts- und ÖPNV-Konzeptes. Ein Bus ist ähnlich effizient, benötigt keine exklusive Infrastruktur und kann viel flexibler angepasst und eingesetzt werden. Bis hin zu einer effizienten Beförderung von weniger als 5 Fahrgästen (siehe das Landkreis-Konzept Linientaxi).
  2. Differenziert: In jedem Fall sollte der Busfahrplan ausgebaut werden:
    1. Engere Taktung
    2. Mehr Express-Verbindungen Gerolzhofen Busbahnhof <–> Schweinfurt Busbahnhof ohne Zwischenhalt
    3. Keine unterschiedlichen Fahrpläne zwischen Schulzeit und Schulferien.
  3. Pro: Zugfahren ist bequemer
    Es gibt weniger Zwischenstopps, weniger Beschleunigungen und Abbremsungen.
    Vermutlich dürfte Zugfahren auch sicherer als Busfahren sein. ABER: Zufahren auf eingleisigen Strecken ist erheblich unsicherer als auf zweigleisigen Strecken. Die meisten Zugunglücke geschehen auf eingleisigen Strecken.
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8. Finanzierung

  1. Contra: Die alte Bahnverbindung wurde wegen fehlender Subventionen eingestellt. Eine Finanzierung war nicht darstellbar.
    Die Stecke war bis vor einigen Jahren generell befahrbar. Wenn es seit einigen Jahren angeblich keine Finanzierungsprobleme mehr geben sollte, warum wird sie dann nicht genutzt?
    Niemand würde einen Service Gerolzhofen-Schweinfurt einstellen wollen!

 

9. Kritische Hinterfragung von Pro-Argumenten

  1. Differenziert: Es werden am Tag vielleicht 2 Güterzüge fahren, wofür die Aufregung?
    Gegenfrage: Wofür dann den Aufwand? Für 2 Güterzüge sollen Millionen in eine Infrastruktur investieren, die bei Inversition in Straßen (z.B. Ausbau B286) rund 50.000 Anwohnern täglich nützt? Ist das wirklich verhältnismäßig?
  2. Differenziert: Die LKWs fahren dann nicht auf der Schnellstraße an Geo vorbei.
    Der einzige Nutzer der Bahnschiene soll das Schaeffler Logistikzentrum sein. Das Schaeffler Hauptwerk steht in Herzogenaurach. Dass das Logistikzentrum nicht nach Schweinfurt gebaut wurde, zeigt ja, dass es auch für andere Produktionsstandorte Waren verteilen wird. Die LKWs von Herzogenaurach werden bestimmt nicht an Gerolzhofen vorbeifahren, wenn sie nach Kitzingen wollen. Mit den Zügen bekämen wir also Güterverkehr, der sonst nie bei Gerolzhofen vorbeigefahren wäre.
  3. Differenziert: Bahnanschluss wird immer wichtiger
    Natürlich wird es immer Unternehmen geben, die die Bahn benötigen. Aber die Beobachtung der meisten Unternehmen mit ehemaligen Bahnanschluss ist es doch, dass die Bahnschienen auf den Gelände zugeteert sind und die Logistik über LKWs erfolgt. Dies gilt insbesondere, da Deutschland inzwischen kaum noch echte Massenproduktion hat, sondern dank technischem Fortschritt “Losgröße 1” hocheffizient machbar ist und spezialisierte Teile Just-in-Time liefert. Eine Werksbesichtigung im Audi-Werk war beeindruckend, denn hier war zu sehen, dass die Zulieferer Monate im Voraus die Bestellung bekommen, zu welcher Minute in 4 Monaten welche Teil-Konfiguration an welcher Stelle im Werk sein muss. Gab es früher z.B. einen Autositz, den man 100.000x mit einem Eisenbahnwagon ins Werk liefern konnte, gibt es bei der Fülle an Stoffen, Farben, Muster, elektrischer Verstellung, Heizung heute über 100.000 verschiedenen Sitzvarianten, die teilweise wirklich nur 1x produziert werden – und dann natürlich nicht mit einer Eisenbahn sondern Just-in-Time mit einem LKW transportiert werden. Jetzt kann man das Lager auf der Straße schlechtheißen, aber diese Flexibilität ist ein elementarer Bestandteil unserer, d.h. der deutschen Wettbewerbsfähigkeit, gerade gegenüber Ländern, in denen 1 € Stundenlohn eher teuer ist.
    Ich erlebe in meiner persönlichen Erfahrung, dass ein Bahnanschluss immer häufiger zugeteert und somit unwichtiger wird.Wie sieht die Statistik aus? Wenn etwas immer wichtiger wird, wächst es. Internetbandbreite wächst exponentiell, Größe von SD-Speicherkarten wächst exponentiell. Der Schienengüterverkehr – naja, seht selbst:

    Statistik-Strasse-Schine

  4. Absurdes Argument: Kommunen mit Bahnanschluss schätzen ihn als sehr wichtig ein
    Ja, stimmt. Hätten wir eine aktive Bahnverbindung, würde ich drum kämpfen. Wie es CSU-Stadträte vor mir bei der Schließung getan haben.
    Was ist mit internationalen Verkehrsflughäfen? Oder Seehäfen? Oder Opern? Oder Fußball-Bundesligamannschaften? Eine Umfrage unter Städte mit ebendiesen Einrichtungen werden ebenfalls bestätigen, dass diese Einrichtungen wichtig sind für die Attraktivität der Stadt und der Stadt einen Standortvorteil bringen. Kommen demnächst Forderungen nach einem Verkehrsflughafen für Gerolzhofen (ich hätte nichts dagegen, ich wäre Nutzer vom ersten Tag an)? Oder eine Oper (wieder: ich hätte nichts dagegen, ich wäre Nutzer vom ersten Tag an)?
    Natürlich bringt das alles Wettbewerbsvorteile, aber wenn ich nichts von dem habe und nur über begrenzte Ressourcen verfüge, die ich sinnvoll investieren muss, dann muss ich sie intelligent investieren. Mit dem größten Nutzen für die Gemeinschaft.

 

10. Andere Aspekte

  1. Eigentum an der Bahnlinie
    Es muss sichergestellt sein, dass nach einer Entwidmung (sei es jetzt, in 10 Jahren oder nie), die Stadt wieder – wie vor der Bereitstellung der Fläche für die Bahn – in jedem Fall das Eigentum an den Flächen enthält.
    Folgendes fiktive Szenario darf nicht eintreten: Jemand kauft die Strecke, im jetzigen Zustand für 1 Mio €, hält sie ein paar Jahre bereit, doch am Ende ergibt es sich nicht, dass sie betrieben werden kann. Sie wird entwidmet und auf einmal gehören jemanden 43.000 m² Fläche á 105 €/m² = 4,5 Mio € zentralste Gerolzhöfer Lage.
    In den anderen Orten entlang der Strecke wird es ähnlich aussehen. Der Bodenwert für Wohnbebauung dürfe insgesamt einen deutlichen zweistelligen Millionenwert haben.
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200 MBit Internet in Gerolzhofen

Die durchschnittliche Bandbreite in Deutschland ist 11,5 MBit.
12,5% der Deutschen surfen mit mind. 50 MBit.
Gerolzhöfer surfen jetzt mit 200 MBit. Diese Bandbreite dürfte aktuell vermutlich höchsten 1% der Deutschen zur Verfügung stehen.

Ich denke, man kann durchaus sagen (von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen): Deutschlands schnellstes Internet für unter 40 € im Monat gibt es in Gerolzhofen!
Ich bin gespannt, wie die Telekom darauf reagieren will. Plant sie wirklich, da mit VDSL50 gegenzuhalten? Oder kommt irgendwann der Glasfaserausbau FTTH endlich mal in die Gänge?

Als Internet-Nerd und Breitbandreferent der Stadt habe ich die neue Geschwindigkeit natürlich sofort gebucht. Heute wurde die neue Fritz!Box geliefert und es hat alles auf Anhieb geklappt. 200 MBit! Ich bin begeistert!

Der Router synchronisiert mit 212 MBit im Downstream und 12,7 MBit im Upstream:

2016-03-03 12_46_36-FRITZ!Box

Speedtest

Auf diversen Speedtest-Seiten erreicht man knapp die versprochenen 200 MBit. Allerdings hatte ich mehrere PCs an, die evtl. noch etwas Netzwerkaktivität hatten. Ich muss mal schauen, ob man in einer optimalen Bedingung nicht sogar die 200 MBit erreicht:

2016-03-03 12_51_02-Test _ Breitbandmessung

In der Praxis

Ist das in der Praxis relevant? Liefert die Gegenseite überhaupt so viel Bandbreite?
Hier habe ich mal ein Video von YouTube runtergeladen: 23,9 MByte/Sek. sind 191 MBit. Man hat also schon einen deutlichen Vorteil:

2016-03-03-12_53_20-4k-Video-Downloader-a

Zukunftsaussichten

2014 hat Kabel Deutschland 100 MBit angekündigt und innerhalb von 5 Jahren (also bis 2019) für Bayern Bandbreiten von 600-800 MBit versprochen.
Geliefert wurde bisher:
2012: 50 MBit
2014: 100 MBit
2016: 200 MBit
Setzt man diesen Trend fort (2018: 400 MBit, 2020: 800 MBit), könnten 600 MBit in 2019 realistisch sein.

Die DOCSIS-3.x-Kabeltechnologie ist spezifiziert für 10.000 MBit Downstream und 1.000 MBit Upstream, vor einem Jahr meldete AVM (Hersteller der Fritz!Box), dass man aktuell Endgeräte hat, die 1.700 MBit Downstream und 240 MBit Upstream verarbeiten können. Ich würde es so einschätzen, dass die Technologie in 3 Jahren für 800 MBit bereit sein wird.

Auch das Backbone von Kabel Deutschland scheint leistungsstark zu sein. Zu mindestens in unserer Umgebung. Hört man von den Großstädten, dass hier Kabel Deutschland die versprochene Bandbreite nicht immer liefern kann, so ist mir in den letzten 12 Monaten nur ein Tag in Erinnerung, an dem „das Internet langsam war“. Ansonsten hat Kabel Deutschland immer die 100MBit geliefert.

Und wer in der Umgebung jammert, dass er immer noch mit 16 MBit T-DSL (oder weniger) surft, dem kann geholfen werden: In Gerolzhofen erschließen wir gerade zwei neue Wohnbaugebiete und ein neues Gewerbegebiet: Es gibt also genug Raum für alle mit hohem Breitbandbedarf!

Haushaltsrede 2016

Am 29.02.2016 wurde der Haushalt der Stadt Gerolzhofen für das Jahr 2016 beschlossen. Das ist der Anlass für jede Fraktion und Gruppierung, eine Haushaltsrede zu halten. Als CSU-Fraktionsvorsitzender habe ich diese Rede gehalten.


Sehr geehrter Herr Bürgermeister Wozniak,
sehr geehrter Herr Kämmerer Borchardt,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Vor uns liegt der neue Haushalt 2016. Als Unternehmer und Zahlenmensch habe ich meine Freude an dem umfangreichen Zahlenwerk. Eine Verwaltung mit 13,4 Mio € Budget und 57 Mitarbeitern, ein Investitionsprogramm über 7,4 Mio €. Wir bewegen was.

Schulden

Und wir bewegen viel. Wir investieren viel und nehmen dafür viel neues Geld in die Hand um Gerolzhofen voranzubringen.
Auf den ersten Blick ist Gerolzhofen daher über alle Maßen verschuldet. 2016 steigt die Verschuldung unserer Stadt um weitere 3,1 Mio € auf 14,3 Mio €.
War in den letzten Jahren die erfolgreiche Sanierung des Geomaris der Schuldentreiber, sieht es 2016 differenzierter aus.

Denn nicht alle Schulden sind schlecht. Wir haben auch neutrale und sogar gute Schulden. Schlechte Schulden sind Schulden, für die wir keine dauerhafte Gegenleistung haben. Schulden zur Deckung laufender Ausgaben sind nicht nachhaltig.
Neutral sind Schulden, wenn wir dafür in etwas dauerhaftes investiert haben, das nach der Tilgung der Schulden noch steht. Man könnte hier das Geomaris nennen -> viel Geld ausgegeben, aber dafür haben die Gerolzhöfer Bürger jetzt die nächsten Jahre ein schönes Schwimmbad.

Zwei Wermutstropfen habe ich aber bei den Geomaris-Schulden:
Allein die VG Gerolzhofen hat insgesamt über 16.000 Einwohner und diese 16.000 Einwohner haben jetzt ein genauso schönes Schwimmbad vor der Haustür, wie auch die 6.900 Gerolzhöfer Einwohner, die aber alleine die Schulden tragen müssen.

Unsere Nachbargemeinden haben das ganz ohne einen Euro Verschuldung bekommen. Eine finanzielle Beteiligung der VG am Betrieb oder alternativ ein weiterer Rabatt für Gerolzhöfer Bürger wäre angemessen.

Dann hat die Rechnungsprüfung gezeigt, dass wir immer noch ein Darlehen von der letzten Geomaris-Sanierung zurückzahlen, obwohl der damalige Baukörper bereits abgerissen wurde. Wir müssen also bei Investitionen wirklich aufpassen, ob nach der letzten Tilgungsrate noch was vom Investitionsgut vorhanden ist.

Und dann gibt es gute Schulden: Schulden, die nur eine Anschubfinanzierung, eine Zwischenfinanzierung sind. Die wie ein Katalysator wirken, sich nicht verbrauchen, aber am Ende etwas neues geschaffen haben. Wir schaffen gerade aus Eigenmitteln neue Wohn- und Gewerbegebiete am Nützelbach und an der Mönchstockheimer Straße. Auch hier sind Millioneninvestitionen notwendig, aber hier ist jeder Euro gut angelegt, denn wenn das Baugebiet fertig erschlossen, verkauft und bebaut ist, bekommen wir unser Geld über die Grundstücksverkäufe wieder komplett zurück und haben einen dauerhaften Zugewinn für unsere Stadt: Bei Wohnbebauung über die Einkommensteuerumlage, im Gewerbegebiet über die Gewerbesteuer.

Solche Schulden mache ich gerne, denn damit finanzieren wir nachhaltiges Wachstum.
Das gleiche gilt für Schulden kostenrechnender Einrichtungen wie Kanal und Wasser, die mit 90% annähernd komplett von den Beitragszahlern getragen werden. Hier ist die Rückzahlung gesichert.
Umgedreht können insbesondere Wasser und Kanal unsere gesamten zukünftigen Haushaltspläne über den Haufen werfen. Ein Großteil unserer Infrastruktur ist 50 Jahre alt und wie man an der Steigerwaldstraße und Albert-Schweitzer-Weg gesehen hat, kann sie innerhalb von Wochen die gesamte Finanzplanung über einen Haufen werfen und unvorhergesehene Investitionen teilweise in Millionenhöhe notwendig machen. Und dann steckt der Stadtrat in der Zwickmühle. Ist die Straße mal offen und der gesamte Zustand erst mal erkannt, sieht man oft Folgeschäden, so dass man als Stadtrat oft nur zu dem teuren Schluss kommen kann: Wenn man es jetzt neu macht, dann gescheit’.
Diese Unsicherheit steckt im Haushalt.

Daher beantrage ich: Wir brauchen beim Schuldenstand mehr Haushaltsklarheit- und Haushaltswahrheit. In Zukunft sollen die Schulden, Tilgungen und Zinszahlungen zusätzlich zur Gesamtsumme der Verwendung gegliedert werden: Je kostenrechnender Einrichtung (Kanal, Wasser, Friedhof), Großinvestitionen, insbesondere Geomaris, Zwischenfinanzierungen, z.B. Baugebiet Nützelbach und Schulden zur Darstellung des allgemeinen Haushalts. Das zeigt den Bürgern klarer, ob wir verantwortungsvoll bei Entscheidungen mit finanziellen Auswirkungen umgehen, und hilft uns Stadträten, die finanziellen Konsequenzen unserer Entscheidungen besser zu überblicken.

Gewerbesteuer und Wirtschaft

Um nachhaltig wieder handlungsfähig zu werden, müssen wir einiges umkrempeln.
Die Verwaltung stellt uns eine Gewerbesteuererhöhung vor, um der Stadt wieder finanziellen Handlungsspielraum zu verschaffen.
Eine solche Erhöhung ist natürlich möglich. Aber nur einmal. Und wir müssen aufpassen, dass wir nicht eine Stärke Gerolzhofens, das ausgeprägte Unternehmertum und die vielen Arbeitsplätze, über Gebühr belasten, während wir auf der anderen Seite in Bereiche investieren, bei denen wir alleine aufgrund der räumlichen Lage niemals so gut werden können wie benachbarte Kommunen.
Vergleicht man Investitionen und Erträge in Tourismus und Wirtschaft, so fällt auf, dass wir in Wirtschaft – aktuell Mönchstockheimer Straße – erst dann investieren, wenn uns Interessenten quasi die Pistole auf die Brust setzen. Dabei zeigt sich gerade am Gewerbegebiet Mönchstockheimer Straße: Angebot schafft Nachfrage. Während wir im Tourismus aktiv Werbung für die Stadt machen, festes Personal vorhalten und alles tun, um mal einen Bus nach Gerolzhofen zu holen, wird das bisher im Gewerbebereich vernachlässigt. Da ist der Bürgermeister der einzige Wirtschaftsförderer, der alle Maßnahmen nebenbei in die Wege leitet.

Ohne Thorsten Wozniaks Engagement, Weitblick und Verhandlungsgeschick hätten wir kein einziges unser 5 Baugebiete und Projekte – Nützelbach, TV-Platz, Mönchstockheimer Straße und die zwei Einzelhandelsprojekte – in der Realisierung.

Nur darf diese Arbeit nicht an ihm alleine hängen bleiben und der Vergleich zum Tourismus drängt sich einfach auf: Dafür gibt es festes Personal, feste Budgets, viele Leistungen und Unterlagen werden vorgehalten. Gibt es das gleiche Engagement für unsere Wirtschaftsentwicklung? Halten wir erschlossene Gewerbeflächen vor?
Vergleichen Sie den Nutzen: Ein Bus lässt vielleicht 1000 € in Gerolzhofen. Während unsere starken Unternehmen alleine über die Gewerbesteuer jährlich 2,5 Mio € in die Stadtkassen spülen und mit den Arbeitsplätzen die Basis für den attraktiven Wohnstandort Gerolzhofen schaffen. Nichts motiviert mehr, nach Gerolzhofen zu ziehen, als ein sicherer und attraktiver Arbeitsplatz in Gerolzhofen. Das machen Unternehmer in Gerolzhofen möglich und die müssen wir in Zukunft verstärkt unterstützen.

Vielen Dank an alle Unternehmerinnen und Unternehmer für Ihren Einsatz und Ihr Bekenntnis zu unserer Stadt.

Wenn der Haushalt in Zukunft nur mit einer Gewerbesteuererhöhung darstellbar ist, dann müssen wir aber auch den Fokus auf unsere Wirtschaft setzen. Daher beantrage ich als Wirtschaftsreferent der Stadt, dass wir einen Arbeitskreis Wirtschaftsförderung ins Leben rufen, dessen Ziel es ist, konkrete Ideen und Maßnahmen auszuarbeiten, Gerolzhofen als Unternehmerstadt attraktiv zu machen und dieses Leitbild in die Umgebung zu transportieren.
Warum wurde nur diskutiert, das neue Schaeffler-Logistikzentrum nach Schweinfurt oder Kitzingen zu bauen? Warum konnte kein Gerolzhöfer Wirtschaftsförderer bei Schaeffler vorsprechen, um ein Angebot für einen Standort in Gerolzhofen zu unterbreiten?
Wir versuchen Händler und Gastronomen untereinander zu vernetzen. Wer vernetzt unsere großen Unternehmen? Untereinander und mit den kleinen Unternehmern, Händlern und Gastronomen?
Wer präsentiert den Unternehmerstandort Gerolzhofen bei den Industrieunternehmen in Schweinfurt, Würzburg und Bamberg?
Hier soll der Arbeitskreis gemeinsam mit unserem neuen Stadtmarketing-Mitarbeiter Daniel Hausmann konkrete Maßnahmen erarbeiten und einleiten.
Mit dem klaren Ziel: Was nützt unseren großen Gewerbesteuerzahlern und wie gewinnt man neue Gewerbesteuerzahler? Das soll auch die Abgrenzung zum Stadtmarketing sein, das sich v.a. auf die Innenstadt und Handel und Gastronomie konzentriert, die für unser Stadtbild äußerst wichtig sind, aber als Personengesellschaften einen so hohen Gewerbesteuer-Freibetrag von 24.500 € haben, dass die Mehrheit keinerlei Gewerbesteuerzahlungen leistet.

Zukunftsfähigkeit des Stadtrates

Der Stadtrat muss langfristig handlungsfähig bleiben. Wenn ich mir viele Entscheidungen des letzten Jahres anschaue, wird mir etwas unwohl um die Zukunft der Stadt.
Richtungsweisende Entscheidungen mit langer Auswirkung werden mit knappster Mehrheit entschieden. Der Flächennutzungsplan, die Langfristplanung schlechthin, wurde mit 10:9 Stimmen angenommen. Wenn da jemand von der CSU gefehlt hätte, wäre die Entwicklung der Stadt zurückgeworfen worden. Andere Stadträte kritisieren einzelne Aspekte und stimmen deshalb gegen die Entwicklung unserer Stadt. Ganz nach dem Motto: “Ablehnung, wenn Zustimmung gesichert ist.”

Ich finde: Verantwortung sieht anders aus.

Konnte man sich früher auf eine positive Begleitung eines Wachstums durch die Freien Wähler verlassen, kann man sich heute eher darauf verlassen, dass jetzt schon zwei Fraktionen mit Freie Wähler und Geo-net einem Wachstum kritisch gegenüberstehen und immer häufiger blockieren. Dabei unterstützen wir doch auch die stark-ökologische Ausrichtung dieser beiden Fraktionen wie zuletzt beim Erdwärme-Beschluss im Baugebiet Nützelbach. Dann würde ich mir etwas mehr Unterstützung bei der Wachstumsausrichtung unserer Stadt wünschen.

Ebenso fehlt mir die Verantwortung für den Haushalt. Hatte man in der letzten Stadtrats-Periode bei den Freien Wählern glühende Verfechter für Haushaltsdisziplin, wollten die Freien Wähler jetzt hunderttausende Euro Zuschüsse für Bauherren in den neuen Baugebieten ausgeben. Von welchem Geld?
Die SPD hat bei der letzten Haushaltsrede eine endlose Liste mit Wünschen vorgetragen, die alle eine Verteilung unseres nicht vorhandenen Geldes bedeuten. Auch generell interessante Anträge wie kostenfreies Parken kosten sofort 5-stellige Beträge pro Jahr.
Das gleiche gilt für Geo-net: Zuletzt wurde in der Vereinsdiskussion kostenlose Schwimmbadnutzung gefordert. Wo soll das Geld herkommen?
Ist Ihnen nicht bewusst, dass langfristig 200.000 € jährliche Zinszahlungen den Erhalt von städtischen Einrichtungen in Frage stellen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Niemand sagt: „lasst die Schwimmer kostenlos rein, dafür lassen wir lieber das Weinfest ausfallen.“

Niemand sagt: „verzichtet auf die Straßenausbaubeiträge, dafür schließen wir lieber das Geomaris.“

Niemand sagt: „lasst die Grabgebühren so wie sie sind, dafür schließen wir die VHS“

Doch eigentlich würde ich es mir wünschen: Jede Entscheidung hat Konsequenzen, die sonst immer lauten: Wir nehmen zusätzliche Darlehen auf.
Wir müssen uns bei jeder Ausgabe und darüber hinaus noch viel verstärkter bei jeder außerplanmäßigen und überplanmäßigen Ausgabe während eines jeden Haushaltsjahres ausgiebige Gedanken zur Refinanzierung machen.

Dem Stadtrat muss endlich bewusst werden, dass quasi jede Ausgabe, die wir beschließen, nicht von unseren Einnahmen gedeckt ist, sondern jeder Euro aus Pump ausgeben wird:

“Parken kostenlos in der Innenstadt” -> 10.000 € mehr Schulden.

“Das Pflaster am Marktplatz ausbessern” -> 50.000 € neue Schulden.

“Uns wird ja schon jemand retten.” -> Leider bieten uns die Banken noch keine Negativzinsen an. 2016 zahlen wir alleine 196.000 € Zinsen, mehr als jemals zuvor. Das ist ungefähr das Budget der Stadtbibliothek. Oder VHS, Jugendzentrum, Stadtmuseum und Vereinsförderung zusammen.

Aber keine Sorge, das bleibt nicht so: Dieses Jahr geben wir mehr Geld aus, nächstes Jahr haben wir mit 234.800 € mal eben 20% mehr Zinszahlungen.

Und gerade wir jüngeren Stadträte, die auch in 10 Jahren noch im Stadtrat sitzen wollen, nehmen uns den Handlungsspielraum: Diese Zinsen sind in 10 Jahren noch in gleicher Höhe da, jedes Jahr werden wir irgendwo 200.000 € einsparen müssen, anstatt 200.000 € investieren zu können. Vom Liquiditätsabfluss von durchschnittlich 600.000 € Tilgung jährlich gar nicht zu reden.

Weinfest

Ich habe eben gesagt: „lasst die Schwimmer kostenlos rein, dafür lassen wir lieber das Weinfest ausfallen.“ Ich möchte natürlich nicht, dass es ausfällt. Über Optimierungen müssen wir dagegen reden: Früher gab die Stadt einen Zuschuss zum Weinfest, dann wurde die Stadt Veranstalter und das Weinfest hat rund 15.000 € Defizit gemacht. Das Jubiläumsweinfest mit 44.000 € Defizit war mit den besonderen Events – z.B. dem genialen Umzug – erklärbar und danach sah die Haushaltsplanung wieder “normale” Weinfeste vor.
Doch 2015 haben wir wieder ein Defizit von 37.816 € gemacht. Das halte ich für nicht akzeptabel. Am Weinfest lassen die Besucher so viel Geld, in jedem Dorf sanieren sich damit die Weinbau- und andere Vereine und wir geben dafür 37.000 € aus.

Ich erwarte, dass hier spätestens für das Weinfest 2017 konkrete Maßnahmen zur Defizitsenkung eingeführt werden und bitte um zeitnahe Vorschläge aus der Verwaltung und Beratung im Gremium. Sei es eine Eintrittsgebühr, höhere Standgebühren, eine Verkleinerung oder eine externe Vergabe mit einem fixen Zuschuss.

Geomaris

Die nächsten Eintrittsgebühren über die wir reden müssen sind die im Geomaris. Wir subventionieren mit Steuergeld Eintritte in ein vom Steuerzahler finanziertes Schwimmbad, um in einem Wettbewerb bestehen zu können gegenüber andere mit Steuergeld subventionierte Eintritte in andere von Steuergeld finanzierte Schwimmbäder. Es ist absurd, wenn sich hochverschuldete Kommunen gegenseitig Schwimmbadbesucher abwerben möchten und dafür die Verschuldung aller Bürger weiter hochtreiben.
Im Haushalt stehen 325.000 € Zuschuss zum Geomaris-Betriebskostendefizit plus 423.500 € Zuschuss zur Darlehenstilgung. 2016 wird das Geomaris die Liquidität unserer Stadt mit 748.500 € belasten. 8 Millionen Darlehen sind schnell aufgenommen, die nächsten 20 Jahre jährlich über 400.000 € zurückzuzahlen wird uns dagegen noch stark beschäftigen.

Bei 230.000 Besuchen subventioniert die Stadt folglich jeden Eintritt mit 3,25 €.
Daher mein Tipp an alle Gerolzhöfer: Holen Sie sich so viel Geld wie möglich von der Stadt zurück und besuchen Sie das Geomaris so oft es geht.

Wenn wir in Kürze über Gebührenerhöhungen im Geomaris reden, befürchte ich werden wir vermutlich eher über Centbeträge anstatt über 3,25 € pro Eintritt reden, denn scheinbar ist es für viele Kolleginnen und Kollegen wohl sozialer, kurzfristig die Kosten niedrig zu halten, beliebt zu sein und damit langfristig dank weiter steigender Schulden so die Schließung von Nicht-Pflichtaufgaben zu erzwingen. Man sägt am Ast, auf dem man sitzt, und lässt sich dafür bejubeln.
Die CSU-Fraktion stellt sich der Verantwortung und ist auch bereit, unpopuläre Forderungen aufzustellen: zum langfristigen Wohle unserer Stadt.

Unsere Stärken

So angespannt der Haushalt ist, so spannend ist die aktuelle Stadtentwicklung. Gab es überhaupt jemals so eine Dynamik? Zwei parallele Neubaugebiete am Nützelbach und am TV-Platz, ein neues Gewerbegebiet und eine komplette Erneuerung des Lebensmitteleinzelhandels im Westen und Osten der Stadt.
Kulturell haben wir mit Frl. Schmitt ein absolutes Highlight gehabt und heute haben wir ein neues Theaterprojekt beschlossen, das dem wohl ebenbürtig wird. Gerolzhofen ist die Kulturhauptstadt im Landkreis.
Ebenso ist Gerolzhofen Wirtschaftshauptstadt im Landkreis. Die Gerolzhöfer Arbeitnehmer pendeln nicht nach Schweinfurt, sondern umgedreht: Der Umkreis pendelt nach Gerolzhofen zum Arbeiten. Das haben nicht mal Volkach, Wiesentheid oder Kitzingen. Diese Stärke müssen wir ausbauen!

Eine weitere Stärke ist unser Kämmerer René Borchardt, er optimiert Verträge, Darlehen, Verrechnungen und hat immer ein mahnendes Wort ob unserer Entscheidungen. Unsere regelmäßigen Gespräche über die Haushaltsoptimierung finde ich bereichernd und habe ihn als die Person erlebt, die sich nicht nur permanent Gedanken über Einsparpotential macht, sondern auch selbstständig umsetzt. Er konnte es immer schaffen, dass die Verschuldung am Jahresende geringer als in der Haushaltsplanung war. Und trotzdem, so kenne ich ihn, bereitet die Verschuldung auch Herrn Borchardt große Sorgen.

Lieber René Borchardt, vielen Dank für diese Arbeit und Ihren Einsatz.

Plane ich mit einem Wirtschaftsförderungsarbeitskreis die Einnahmen zu erhöhen, setze ich darauf, dass Herr Borchardt uns in Zukunft exklusiv zur Verfügung steht und mit einem Teil seiner Arbeitszeit Einsparpotentiale identifiziert, an den Stadtrat berichtet und erfolgreich umsetzt. Die VG hat drei Kämmererstellen, Gerolzhofen stehen mit seinen 41% VG-Anteil somit 1,24 Kämmererstellen zu. Die Stadt Gerolzhofen hat einen Kämmerer, der unseren Haushalt zu optimieren weiß. Aber geben Sie ihm auch die notwendige Arbeitszeit dafür, indem wir ihn von der Erstellung anderer Haushalte befreien.

Ebenso ergeht mein Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt und der städtischen Betriebe. Hinter jeder Position im Haushalt stehen Menschen, die den Aufgabenbereich mit Leben erfüllen. Vielen Dank für Ihre Arbeit.

Fazit

Wir – die CSU Stadtratsfraktion – sehen der Dynamik und den Chancen unserer wachsenden Stadt so positiv entgegen, dass wir voll hinter dem Haushalt stehen können.
Ich bitte um Unterstützung unserer zwei Anträge – mehr Klarheit bei der Verschuldung und der Einstieg in eine aktive Wirtschaftsförderung, das bringt unsere Stadt weiter.

Dem Haushalt 2016 stimmt die CSU Fraktion zu.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Arnulf Koch
CSU Fraktionsvorsitzender

Antrag auf Einrichtung eines Arbeitskreises Wirtschaftsförderung

Wortlaut unseres Antrages:

Der Stadtrat möge beschließen:
 

Es wird ein Arbeitskreis Wirtschaftsförderung eingerichtet.
 

Ziele des Arbeitskreises sind:

  1. Konkrete Ideen und Maßnahmen ausarbeiten, um
    1. Gerolzhofen als Unternehmerstadt attraktiv zu machen
    2. Gerolzhofens Gewerbesteuerzahler zu stärken und zu vernetzen
    3. Gerolzhofen als Standort für wirtschaftlich starke Unternehmen zu bewerben
    4. die Gewerbesteuereinnahmen von Gerolzhofen zu erhöhen
  2. Eine Stellenbeschreibung für einen Wirtschaftsförderer zu erstellen

 
Zusammensetzung des Arbeitskreises Wirtschaftsförderung:

8-9 Personen:

  • Wirtschaftsreferent (Vorsitz)
  • Je ein weiterer Vertreter von SPD, Geo-Net, FW, CSU, idealerweise die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden
  • Bürgermeister
  • Stadtmarketing-Mitarbeiter
  • 1-2 Unternehmer von mittelständischen und Großunternehmen, die nicht dem Stadtrat angehören und externe Expertise einbringen können

 
Häufigkeit der Tagung, Öffentlichkeit, Budget, Beschlussfähigkeit

  • Der Arbeitskreis wird vom Vorsitzenden ca. 4x jährlich einberufen
  • Der Arbeitskreis tagt nichtöffentlich
  • Der Arbeitskreis verfügt über kein Budget und fällt keine Beschlüsse.
  • Der Stadtmarketing-Mitarbeiter berichtet an den Arbeitskreis.
  • Die Stadt stellt einen Schriftführer, idealerweise übernimmt der Stadtmarketing-Mitarbeiter diese Aufgabe
  • Der Vorsitzende des Arbeitskreises berichtet 1x jährlich dem Stadtrat

 

Dauer des Arbeitskreises

  • Der Arbeitskreis wird für die aktuelle Stadtratsperiode eingesetzt

 
Die Stadtrats-Mitglieder im Arbeitskreis werden von den Fraktionen entsandt.
Die nicht dem Stadtrat angehörigen Unternehmer werden vom Arbeitskreis ausgewählt und angefragt.

 

 

Begründung:
Eine der größten Einnahmeposten der Stadt ist die Gewerbesteuer.

Im Verhältnis zu anderen Bereichen der Stadt wie Innenstadtförderung (Programm Soziale Stadt, Stadtmarketingprozess) oder Tourismusförderung (Touristinfo, Messeauftritte, vielfältige Marketingmaßnahmen) ist die Stadt im Bereich der Wirtschaftsförderung nicht aktiv. Diese Aufgabe wird aktuell vom Bürgermeister nebenbei erledigt.

Der Arbeitskreis hat das klare Ziel: Was nützt unseren großen Gewerbesteuerzahlern und wie gewinnt man neue Gewerbesteuerzahler?
Das soll auch die Abgrenzung zum Stadtmarketing sein, das sich v.a. auf die Innenstadt und Handel und Gastronomie konzentriert, die für unser Stadtbild äußerst wichtig sind, aber als Personengesellschaften einen so hohen Gewerbesteuer-Freibetrag von 24.500 € haben, dass die Mehrheit keinerlei Gewerbesteuerzahlungen leistet.
Der Arbeitskreis soll vollen Zugriff auf die halbe Stadtmarketing-Stelle haben. Für alle Maßnahmen, die ein Budget oder einen Beschluss erfordern, der nicht von einem Mitglied Kraft seines Amtes (Bürgermeister, Stadtmarketing-Mitarbeiter, etc.) erfolgen kann, wird eine Beschlussvorlage für den Stadtrat erarbeitet. Um realistische Ideen auszuarbeiten, sollten einerseits möglichst Unternehmer aus dem Stadtrat in den Ausschuss berufen werden, andererseits möglichst die Fraktionsvorsitzenden, um die Akzeptanz der Ideen sicherzustellen und Ideen der weiteren Fraktionsmitglieder in den Arbeitskreis einzubringen.
Weiterhin sollen 1-2 externe Unternehmer von mittelständischen Unternehmen in den Arbeitskreis berufen werden.

Aufgabe des Arbeitskreises ist es, Ideen, Maßnahmen und Prozesse im Bereich der Wirtschaftsförderung zu erarbeiten, aber immer mit dem konkreten Hintergrund: Was bringt der Stadt am Ende mehr Gewerbesteuereinnahmen?
Mittelfristig wird die Stadt analog zur Tourismusleiterin, Stadtteilmanager auch einen Wirtschaftsförderer als ersten Ansprechpartner für (Groß-) Unternehmen benötigen. Dies war eine Erkenntnis vom Visionenworkshop Ende 2015. Der Arbeitskreis soll die Stellenbeschreibung ausarbeiten und einen Beschlussvorschlag für den Stadtrat vorbereiten.

Hinweis: Ob es einen Wirtschafsförderer geben wird, wird mit der Schaffung dieses Arbeitskreises nicht vorweggenommen. Theoretisch könnte der Arbeitskreis zu dem Ergebnis kommen, dass z.B. die Aufgaben mit dem Wirtschaftsförderer des Landkreises plus dem Stadtteilmanager erfüllt werden können.