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„Zerrieben zwischen H&M und Zalando“

Ich möchte hier den Handelblatt-Artikel „Modehandel in der Krise – Zerrieben zwischen H&M und Zalando“ empfehlen. Er bezieht sich auf die Wöhrl-Insolvenz, aber zeigt das Problem von klassischen „nicht-hippen“ Modehändlern auf. Das kann man im Kleinen auch auf unsere Gerolzhöfer Innenstadt übertragen: Es wird von Jahr zu Jahr schwieriger für die Händler.
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/modehandel-in-der-krise-zerrieben-zwischen-hundm-und-zalando/14517578-all.html

Online-Umsätze

In dem Artikel sind auch die Online-Umsätze der Top-Mode-Onlineshops aufgelistet:

 Zalando             872,4 Mio €
 Bonprix             419,5 Mio €
 H&M                 326,8 Mio €
 Heine               204,0 Mio €
 Esprit              162,5 Mio €
 Brand-4-Friends     116,6 Mio €
 s.Oliver            110,8 Mio €
 C&A                  79,3 Mio €
 Walbusch             72,2 Mio €
 Zalando Lounge       71,8 Mio €

BTW: Die Zahlen sollen angeblich von 2014 sein. Da wird Zalando mit 872 Mio € angegeben. Bei Börseninfos finde ich aber für Zalando 2014 einen Umsatz von 2200 Mio € und 2015 schon 2958 Mio € und jetzt 2016 wurden im 2. Quartal alleine 916 Mio € Umsatz gemacht.
Wenn man das grob mal 4 nimmt, könnte man einen 2016er-Zalando-Umsatz von >3500 Mio € erwarten.
Und dann sind da „Mischwarenläden“ wie Amazon, Otto, eBay, Ladenzeile, etc. auch nicht berücksichtigt.

Der Online-Umsatz dürfte also erheblich höher sein und hat gigantische Wachstumsraten.

Und wie jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann, fehlt dieser Online-Umsatz anderen Händlern (und ganz nebenbei wird mit den Hersteller-Onlineshop der Hersteller immer mehr zum Konkurrenten seiner eigenen Händler).

Kann man online bekämpfen?

Ob wir Aktionen wie „Lass den Klick in Deiner Stadt“ machen oder nicht: Das verzögert vielleicht das Online-Wachstum, aber es hält ihn nicht auf.

Wenn ich die nächste Generation anschaue, für die ist es normal, alles online zu kaufen und die Abwägung lautet: „Laufe ich jetzt noch zum Supermarkt und kaufe mir da meine Suppe, oder lasse ich sie mir von Amazon schicken und ich habe sie erst morgen“.

Und um die Entscheidung zu erleichtern bietet Amazon nach Same-Day-Delivery jetzt auch schon kostenlos 2h-Delivery und gegen 6,99 € Aufpreis 1h-Delivery an – natürlich nur in Ballungszentren, wo das auch rentabel machbar ist:
http://www.supermarktblog.com/2016/05/11/prime-now-in-berlin-amazons-kampfansage-an-rewe-bringmeister-und-real/

Bedeutung für die Innenstadtentwicklung

Das macht es für mich als Stadtrat schwierig, die richtigen Rahmenbedingungen für die Innenstadt zu schaffen: Wir versuchen alles, eine gute Infrastruktur für Händler zu schaffen, die Basis für eine lebenswerte Innenstadt sind. Aber wenn man sich das große Ganze anschaut, wird der stationäre Handel sowohl vom Internet als auch von den „hippen Marken“ (jetzt gibt es schon einen TK Maxx in Schweinfurt) angeknabbert und wird Jahr für Jahr Handels-Umsatz verlieren.

Verschiebung zu Service und Dienstleitung

Ich denke, die Zukunft werden Mischformen sein und wir müssen das langfristig bei der Stadtentwicklung berücksichtigen (Stichwort Verkehrskonzept, Stichwort Spitalstraße, Stichwort Marktplatzgestaltung).
„Schönes und Süßes ist so ein Beispiel: Es sind keine Produkte der Grundversorgung, sondern der Freizeitcharakter und Aufenthaltsqualität steht mehr im Vordergrund und die damit verbundenen geringeren Umsätze werden versucht durch „Außenrum“-Sachen zu kompensieren, dass es den Kaffee eben nicht wie im Modehaus umsonst gibt sondern Kaffee & Kuchen ein finanzielles Standbein des Geschäftes ist.

Denn reiner stationärer Handel wird ohne mitverkaufte Dienstleistungen oder ohne Refinanzierung der Aufenthaltsqualität wird immer schwieriger.  Z.B. in meiner IT-Branche haben wir früher Computer verkauft (mein Vorgängergeschäft vor 2000 hieß „Arnulf Koch Computer“ und die Dienstleistung war damals kostenloser Service (Installation, Inbetriebnahme). Schon früh haben die Discounter das Geschäft abgegraben. Nicht nur bei B2C mit Aldi und Mediamarkt, auch im B2B-Geschäft hat z.B. Dell seit 1998 angefangen, den Handel zu umgehen.

BTW: Im Handelsblatt-Titel wird H&M als Hauptkonkurrent genannt. Ich glaube, dass gerade Primark und TK Maxx noch mehr den Zeitgeist treffen:
https://krautreporter.de/416–was-weg-ist-ist-weg

Kommentare

Simone
Antworten

Die Entwicklung ist leider nicht neu, aber Wöhrl z.B. hat schon seit Jahren an der Käufer-Zielgruppe mit dem größten Potential bzw. dem höchsten Kaufwillen vorbei gearbeitet: Entweder zu hochpreisige Markenware in zu hoher Stückzahl und Sortimentbreite oder mittlere Preiskategorie mit minderwertiger Ware ( großes Problem im mittleren Preissegment der Marken für Young Fashion). Das Klientel, welches das Angebot schätzt ist hauptsächlich die Generation der 50 bis 70jährigen, deren Kaufkraft bis zur Rente wohl relativ hoch ist, aber welche bereits gut ausgestattet ist, weniger häufig Spontankäufe tätigt und kaum einen Stilwechsel vollzieht oder stark modisch interessiert ist sowie viel Wert auf Langlebigkeit legt, was dazu führt, dass weniger Masse gekauft wird.
Hier sind die Zeichen der Zeit und des Marktes zu spät erkannt und entsprechenden Veränderungen zu langsam umgesetzt worden. Auch die Verkaufs- und Personalpolitik hat sich nicht den heutigen Gegebenheiten und Gepflogenheiten angepasst, sodass gute Verkäufer und,hier auch im wahrsten Sinne des Wortes, gute Verkaufsberater abgewandert sind. Das hat die Servicequalität, welche ein großer Marktvorteil sein kann zudem untergraben…
S.H. Ehemalige Azubine bei Whörl

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